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3.2. 1799/1800, 1805 83
3.2.3. Stubaier Aufgebote an der Grenze zu Bayern
Nach dieser „Winterpause“ – Napoleon war im Herbst von seiner Ägyptenunterneh-
mung zurückgekehrt, hatte sich in Paris zum ersten Konsul ernennen lassen und war
somit nun de facto Alleinherrscher Frankreichs – begann Ende April 1800 eine neu-
erliche französische Offensive, zuerst in Süddeutschland, später auch in Oberitalien.
An beiden Kriegsschauplätzen gab es eine Reihe von Niederlagen für die kaiserlichen
Armeen. Mitte Juli stand den französischen Truppen der größte Teil Bayerns offen, in
Oberitalien sah es ähnlich aus.127
In dieser Situation wurde in Tirol die Landesverteidigung mobilisiert. Auch Stu-
baier Mannschaften rückten im Jahr 1800 zweimal – Adolf Hueber spricht in seinem
Buch über Michael Pfurtscheller von dreimal – an die Grenze zu Bayern bei Schar-
nitz aus.128 Auch Michael Pfurtscheller selbst war im Laufe dieses Jahres zweimal im
Grenzeinsatz. Über eine Ausrückung Ende September geben die Quellen etwas mehr
Aufschluss. In der bereits erwähnten Auflistung der Zeugnisse und Urkunden Pfurt-
schellers ist ein im Original nicht mehr auffindbares Zeugnis vom 1. November 1800
vermerkt, das Pfurtscheller einen 15-tägigen Einsatz rund um Scharnitz bestätigt.129
Ausgestellt wurde dieses von Joseph Rapp, dem späteren Autor eines der Standard-
werke zum Jahr 1809, auf den noch ausführlicher eingegangen werden wird. Rapp war
im Alter von damals 20 Jahren der Kommandant dieser Stubaier Mannschaft gewesen.
Als Oberlieutnant war er mit der Stubaier Kompanie am 27. September ausgerückt.
In Vertretung des Hauptmannes, Landrichter Joseph von Stolz, übernahm Rapp das
Kommando. Er sei im Karwendeltal einstimmig zum Hauptmann gewählt worden.130
In seinem bereits mehrfach erwähnten Bericht über die Kriegsereignisse von 1796
bis 1813 aus dem Jahr 1838 erklärt Pfurtscheller, eine 115 Mann starke Stubaier
Schützenkompanie sei 1800 nach Scharnitz ausgerückt um die Landesgrenze zu be-
wachen. „Bey diesen Schützen Auszug bekamen wir keinen Feind zu sehen“, so heißt
es weiter. Der Einsatz sei vor allem deshalb beschwerlich gewesen, „weil wir in die
Laager-Hütten zu Carwendl von einem uns unbekannten Inseckt Erdflöch [Erdflöhe]
geplagt wurden“.131
127 Vgl. ebd.
128 Vgl. Zeugnis für Michael Pfurtscheller 1825, 25. Februar 1825, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP,
II, Bund 1, Nr. 21; sowie: Hueber, Michael Pfurtscheller, 1891, S. 7.
129 Nähere Auskunft über seine Funktion bei diesem Auszug findet sich hier keine, ebensowenig über
den Verlauf der Einsätze der Stubaier.
130 Vgl. Simon Moriggl, Biographie des jubil. k.k. Gubernialrathes und Kammerprokurators Herrn Dr.
Josef Rapp, 1865, S. 6.
131 Vgl. Pfurtschellers „Kurzgefaßte Beiträge zur Kriegsgeschichte“, o. D. [1838], TLA, Landtagsakten
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435