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6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 401
6.3.4.2. Michael Pfurtscheller als Krisenretter und Krisenprofiteur
Laut Andreas Alois Dipauli hatte der Stubaier Landrichter ihm gegenüber also bereits
1814 bemerkt, es gewinne „das Ansehen, als sollte Fulpmes gleichsam eine Fabrik
Pfurtschellers werden“.149 Die Schmiede würden zunehmend von Pfurtscheller ab-
hängig, dieser versorge sie mit Rohmaterialien für ihre Werkstätten, Bargeld und sogar
mit Lebensmitteln.150 Diese Abhängigkeit der Produzenten von „ihrem“ Verleger be-
schreibt auch Hans-Ulrich Wehler in seiner „Deutschen Gesellschaftsgeschichte“. Da-
bei unterscheidet er drei Stadien dieser Dependenz, die häufig ineinander übergingen:
Noch am unabhängigsten konnten demnach Produzenten arbeiten, die selbst über die
Produktionsmittel verfügten und selbst das Rohmaterial ihrer Arbeiten organisierten
und lediglich zum Verkauf ihrer Produkte an den Verleger verpflichtet waren. Stärker
ausgeprägt war die Abhängigkeit dann, wenn auch der Rohstoffeinkauf vom Verleger
besorgt wurde. Im dritten Stadium wurden schließlich nicht nur Einkauf von Rohma-
terial und Verkauf der Produkte vom Verleger organisiert, dieser bestimmte auch den
Produktionsprozess und besaß häufig auch noch die Produktionsmittel.151
Nicht viel Abstraktion ist nötig, um das Modell Wehlers auf die Verhältnisse in
Fulpmes Anfang des 19. Jahrhunderts und auf Pfurtschellers Verlagssystem umzule-
gen. Als Beispiel für das eben skizzierte dritte Stadium der Abhängigkeit von Produ-
zenten vom Verleger sei nochmals an Pfurtschellers Angaben in den bereits zitierten
Verzeichnissen der „Comerzialschmiede“ aus den Jahren 1815 und 1816 sowie in
der ebenfalls bereits erwähnten Preisliste für das Jahr 1816 erinnert, in denen vier
beziehungsweise fünf Schmiedemeister angeführt sind, die im Namen Michael Pfurt-
schellers „in dem Pfurtschellerischen Hause u. Werkstadt“ produzierten.152
Diese am stärksten ausgebildete Form der Abhängigkeit, die schon einem Arbeit-
geber-Arbeitnehmer-Verhältnis gleicht, war jedoch nicht der allgemein übliche Zu-
stand unter Verleger Pfurtscheller. Der Großteil der Schmiede in Pfurtschellers Ver-
lagssystem war sehr wohl noch im Besitz einer eigenen Werkstatt und führte auch ein
eigenes Markenzeichen. Eine Abhängigkeit von Pfurtscheller bestand dennoch, wie
149 Andreas Alois Dipauli, „Bemerkungen auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Inns-
bruck, im J. 1814. Von Andr. Alois de Pauli, k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S.
27 f.
150 Vgl. ebd.
151 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte 1, 1987, S. 95.
152 Vgl. „Verzeichnis der Comerzialschmiede“, 26. Dezember 1815, TLMF, Hist. Samml., Schachtel
„Zünfte – Schmiede im Stubaital“, Nr. 3; sowie: „Verzeichnis der Comerzialschmiede“ I, 20. April
1816, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 38, 1828–1830, Bündel „LG Stubai 1830 – alle Abteilun-
gen“; sowie: Preisliste Michael Pfurtscheller, 15. April 1816, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 38,
1828–1830, Bündel „LG Stubai 1830 – alle Abteilungen“; sowie: Kap. 6.3.1.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435