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Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
Bukowina gestellte und 1916 von der Regierung stattgegebene Antrag auf ob
ligaten Unterricht in der zweiten Landessprache für SchülerInnen in deutsch
sprachigen Gymnasien längerfristig einen Erfolg gezeitigt und zumindest zur
»Annäherung der Volksstämme« (vgl. Stourzh 1980 : 1147) einen bedeutenden
Beitrag geleistet – die gut gemeinte Idee wurde von den Kriegswirren eingeholt
und kam nicht mehr zur Ausführung.52
Sprachpolitische Bestimmungen wirken auf das Übersetzungsgeschehen in
mannigfaltiger Weise ein. Die Rolle der Übersetzungstätigkeit im Geschäfts
bereich der habsburgischen Verwaltung war dementsprechend den Konjunk
turen der einschlägigen Gesetzgebung ausgesetzt. Sobald Zweisprachigkeit im
Amtsverkehr – in welchem Ausmaß immer – zugelassen war, sank mit größter
Wahrscheinlichkeit der Bedarf an Übersetzungen, womit – unter Umständen
und bestenfalls – eine verstärkte mündliche Kommunikationstätigkeit zwischen
den jeweils »Anderssprachigen« zwecks besserer Verständigung über die anfal
lende Arbeit einherging ; allerdings liegen keine Untersuchungen vor, die diese
Überlegungen beweisen oder widerlegen könnten.53 Es ist jedoch anzunehmen,
dass die Zwei oder Mehrsprachigkeit der BeamtInnen54 die Probleme in der
je nach Gesetzeslage unterschiedlichen Handhabe mit dem Bedarf an Überset
zungen bis zu einem gewissen Grad auffing – professionelle Übersetzungs oder
Dolmetschabteilungen gab es außer für sehr spezifisch umrissene Felder in den
Ministerien (siehe unten) weder in den gerichtlichen Behörden noch in der öf
fentlichen bzw. autonomen Verwaltung.
4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt
Die sich aus der Plurilingualität ergebende Vielschichtigkeit der Interferenzen
zwischen den involvierten ethnischen Gruppen schlägt sich nicht nur im all
52 Vgl. zu den machtvollen Implikationen sprachpolitischer Maßnahmen im habsburgischen Kontext
auch Rindler Schjerve (2003).
53 Die Konjunktur der Übersetzungsfrequenz müsste mühsam aus den Akten der verschiedenen Mi
nisterien und Gerichte rekonstruiert werden, wobei vor allem auf die verschiedenen Sonderrege
lungen in den einzelnen Kronländern zu achten wäre.
54 Ein Erlass von Innenminister Alexander Bach anlässlich seiner Ernennung zum Minister enthält
einen Appell an die BeamtInnen, »darüber zu wachen, dass in jenen Kronlandgebieten, welche
mehrere Nationalitäten umfassen, sich jeder Beamte die Kenntniß der landesüblichen Sprachen
verschaffe […]« (RGBl. 4.Abtlg. des Ergänzungsbandes 1849 : 644). Wie weit dies tatsächlich
zutraf, ist in dieser Arbeit wiederholt Gegenstand der Untersuchungen.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437