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Fünftes Kapitel
Theoretischer Aufriss eines habsburgischen
»Übersetzungsraumes«
Zur detaillierten Ausleuchtung der Vermittlungstätigkeiten habsburgischer Ak
teurInnen ist ein Rückgriff auf soziologische Konzepte erforderlich, die vor al
lem die sozialen Implikationen dieser – im weiten und engeren Sinne – überset
zerischen Handlungen freizulgen vermögen. Die bourdieusche Kultursoziologie
eignet sich hervorragend, um ein solches Anliegen realisieren zu können.
Die soziale Welt als Spielbrett – so könnte die Soziologie Pierre Bourdieus
mit einem Schlagwort umrissen werden. Bourdieu leitet aus der wissenschaftli
chen Analyse des Gesellschaftlichen die Gründe zum Handeln ab – die »raisons
d’agir«, wie auch der programmatische Titel der von ihm von 1996 bis zu sei
nem Tod 2002 herausgegebenen soziologisch politischen Reihe lautete. Bour
dieu hat sich im Laufe seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ein eigenes Instru
mentarium an Begriffen geschaffen, das es ihm erlaubt, im Spannungsverhältnis
zwischen dem individuellen Handeln der AkteurInnen und gesellschaftlichen
Zwängen sozio kulturelle Sinnzusammenhänge zu rekonstruieren. Dem Wis
senschaftsverständnis Bourdieus zufolge stehen die empirischen Analysen vor
der Theoriebildung, was eine hinreichend ergiebige Problemlösungskompetenz
gewährleistet. Der Erfolg seiner »Theorie der Praxis« zeigt sich nicht zuletzt im
breiten Fächer der wissenschaftlichen Disziplinen und gesellschaftlich institu
tionellen Bereiche, in denen sie zur Anwendung kommt. Bourdieu war jedoch
auch und besonders »celui qui dérangeait« (Bouveresse 2002 : 15), ein »Stören
fried« (Baier 2002 : 1) : Sein Engagement in der Öffentlichkeit gegen den Neo
liberalismus, gegen Das Elend der Welt (1997) und für die res publica machte ihn
unter Intellektuellen KollegInnen nicht nur in Frankreich weitgehend zu einer
Ausnahmefigur.
Bourdieus Kultursoziologie ermöglicht eine komplex konzipierte Kontextu
alisierung kultureller Produkte. Sie geht von einer in verschiedene Felder aus
differenzierten modernen Gesellschaft aus, die als »sozialer Raum« konzipiert
wird. Das Feld als (relativ) autonomer »Mikrokosmos« (Bourdieu 1998 : 62)
wiederum ist durch relationale Strukturen geprägt und jeweils eigenen Funk
tionslogiken unterworfen. Dementsprechend sind etwa individuelle Prozesse
der Sozialisation oder der Identitätsbildung nur vor dem Hintergrund der sie
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437