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266 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
den Armen und Elendsvierteln gegenüber. Die durch den Liberalismus und
seine Auswirkungen markanter zutage tretenden Wertesysteme verschärften ei
nerseits diese althergebrachten Gegensätze : Einem strengen bürgerlichen Mo
ralkodex stand eine steigende Zahl unehelicher Geburten gegenüber, und wäh
rend die Ringstraße als glänzende städtebauliche Leistung entstand (Witzmann
1984 : 68), wuchs die Zahl an BettgeherInnen ; demgegenüber standen jedoch
kulturelle Prozesse, die durch die Vielzahl an Ethnien und ihrer Lebenswelten,
die in der Hauptstadt aufeinander trafen, sowie durch die im Zuge der Bewäl
tigung dieser alltäglichen Auseinandersetzung mit dem »Anderen« sich ausfor
menden kulturellen »Codes« die Herausbildung von Hybriditätsformationen
begünstigten, die für die Habsburgermonarchie, wie bereits erwähnt, gerade für
diesen Zeitraum als konstitutiv zu bezeichnen sind.
Die von Liberalismus und ökonomischem Wachstum profitierende Bürger
schicht brachte neue Eliten hervor, die in Kaffeehäusern, Salons und bei Soiréen
ihre »intellektuelle Substanz« kultivierten (Schorske 1997/1982 : 281). Pollak
geht von der These aus, dass die kulturelle Blüte Wiens um die Jahrhundertwende
auf die Geschwindigkeit der Strukturwandlungen des intellektuellen und künst
lerischen Feldes und die daraus resultierende Ausformung eigener Kommunika
tionsformen (Etablierung eines Literaturmarktes, Differenzierung von Salons,
Journalismus etc.) zurückzuführen ist (Pollak 1997 : 23). Dieser Strukturwandel
schlägt sich nicht zuletzt in dem Repräsentationsbedürfnis der Bürgerinnen und
Bürger nieder, die neu erreichte ökonomische und gesellschaftliche Macht zur
Schau zu stellen. Die so erstandenen Symbole wie die Ringstraßenbauten als
Gegenkultur zu den Kirchen und Palästen der religiösen und aristokratischen
Welt oder das Parlament, das Rathaus und die Universität als Symbole der kon
stitutionellen Monarchie und des modernen Wissens (vgl. Schorske 1997/1982 :
280 und Pollak 1997 : 82) wurden somit zum ostentativen Ausdruck einer das
Bürgertum auszeichnen wollenden Distinktion. Die Ausformung einer im Sog
politischer Erneuerung operierenden künstlerischen und literarischen Avant
garde war nur eine Frage der Zeit – doch entstand, wie Michael Pollak treffend
anmerkt, eine kosmopolitische »österreichische« Kunst erst, als Österreich sich
anschickte, politisch zu verschwinden (Pollak 1997 : 154).
1. Österreichisch-italienische Wahrnehmungen
Es stellt sich die Frage, wo die Rolle der italienischen Kultur in diesem dich
ten kulturellen System zu verorten ist. Die reichhaltige Literatur zum Thema
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437