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Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
an adäquaten Gesetzgebungen, aufgeschlossenen Copyright Bestimmungen
oder auch medialer Aufmerksamkeit. Ein – zumindest vordergründig – anderes
Bild präsentiert sich heute im Kontext der Translationspolitik der Europäischen
Union, wo tatsächlich von einer expliziten Politik zu sprechen ist und immerhin
das Ziel besteht, im Sinne einer »ethnolinguistic democracy« (Fishman 1993)
idealtypisch Machtdifferenzen plurilingualer Gesellschaften bzw. Gemein
schaften durch den konsequenten Einsatz von TranslatorInnen zu begegnen
und damit das kommunikative Gleichgewicht zwischen den involvierten Part
nerInnen zu garantieren. Übersehen wird bei diesem hehren Anspruch freilich,
dass erstens die – im Falle der Europäischen Union – verschiedenen Mitglieds
staaten selbst unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven zur Sprachenfrage
und zur Vermittlung zwischen Sprachen haben, und zweitens Translation an
sich keine neutrale Tätigkeit ist, die interesselos zwischen den Beteiligten »ver
mittelt«, sondern dem Phänomen der Translation ein nicht zu unterschätzendes
manipulatives Potenzial eingeschrieben ist (vgl. dazu auch Wolf 2009).
Für die Skizzierung einer in der Habsburgermonarchie zu rekonstruieren
den Übersetzungspolitik interessieren im vorliegenden Kontext vor allem drei
Punkte. Zunächst sind es die einer Übersetzungspolitik zugrunde liegenden re
gelnden Faktoren, welche die Rahmenbedingungen für die Entstehung und in
weiterer Folge die Wirksamkeit übersetzungspolitischer Maßnahmen bedingen.
Auf der Ebene der direkten Interaktion zwischen den involvierten AkteurIn
nen geht es schließlich um die staatliche Kunstförderung und, in späterer Folge,
um die Literaturpreise, die in der Habsburgermonarchie im Zeitraum zwischen
1848 und 1918 verliehen wurden und die – wie zu zeigen sein wird – bedeu
tende translationsrelevante Fragen aufwerfen.
1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik
Der Frage nach dem Vorhandensein einer – wie immer gearteten – Überset
zungspolitik in der Habsburgermonarchie ist nur im Kontext der Diskussion
einer allgemeinen Kulturpolitik nachzugehen,191 die sich wiederum an verschie
denen regelnden Faktoren festmachen lässt. Im Speziellen geht es dabei um die
Kontrollinstanz der Zensur bzw., nach ihrer Abschaffung, um eine den Litera
191 Im Folgenden wird auf (translationsrelevante) kulturpolitische Maßnahmen der Zentralre
gierung Bedacht genommen wird und nicht auf diesbezügliche Maßnahmen in den einzelnen
Kronländern.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437