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Zehntes Kapitel
Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von
Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen
Je mehr du Sprachen
des österreichischen Kaiserthums verstehst,
desto mehr wirst du ein ganzer Österreicher.289
Die im Zuge dieser Studie aufgearbeiteten Transfer- und Übersetzungsprakti-
ken in der Habsburgermonarchie werden im Folgenden und abschließend in ein
Konzept gefasst, in dem das Phänomen des Übersetzens als Handlungs- und
Kommunikationsprozess innerhalb komplexer kultureller und sozialer Netz-
werke verstanden wird. Die folgende Textstelle ist dafür symptomatisch :
»Person und Einzelschicksal gehören [in der von mir erzählten kurzen Familienge-
schichte] dem durchschnittlichen Schicksal beamteter Nomaden, die nicht wissen
wollen, daß der Staat, dem sie anhaften, auch wieder so fest an ihnen klebt und ihr
Dasein so gründlich verschleiert, daß ihm nur noch eine sehr geringe Eigenbewe-
gung verbleibt.
[…]
Wo ihr Ursprung war, hat niemals mit Sicherheit festgestellt werden können ;
aber irgendwo in Oesterreich müssen sie ihren Anfang genommen haben, die
Schneider, wiewohl ihr Aerariertum noch lange nicht das Ausschlaggebende ist.
Ja, Schneider hießen sie.
Ein deutscher Name ?
Der alte Schneider hätte bei der Behauptung, daß er ein Deutscher sei, ver-
ständnislos gelächelt.
Seine erste Stellung als k. k. Beamter bekleidete er im rein asiatischen Oes-
terreich in irgend einer Niederlassung unaussprechlichen Namens auf galizisch-
bukowinischem Grenzgebiete. Dort verlernte er das Deutsch und lernte dafür ein
Quasi-Deutsch mit polnisch-jiddischem Einschlag und dazu – für den Amtsge-
brauch hinreichend – ruthenisch, polnisch und etwas rumänisch.
289 Hammer-Purgstall (1852 : 96), in Abwandlung des lateinischen Spruchs »Quot linguas calles, tot
homines vales«.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437