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»Polykulturelle Translation« 119
der Monarchie wesentlich zu ihrem Funktionieren beitrugen. Wie zu sehen ist,
war das »institutionalisierte Übersetzen« nicht zuletzt bedingt durch die wach
senden Nationalitätenkonflikte in zunehmendem Maß von der Eigeninitiative
der einzelnen Bürger gekennzeichnet und gleichzeitig durch wachsende Regle
mentierung gelenkt ; über die hier aufgezeigten Tätigkeiten können im Einzel
nen die Entwicklungen des translatorischen Phänomens in den verschiedenen
Geschäftsbereichen ausgehend von der sprachbezogenen Gesetzgebung und
im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Entwicklungen nachgezeichnet
werden ; als Grundlage könnte die von Alfred Fischel besorgte Quellensamm
lung Das Österreichische Sprachrecht (Fischel 1910) gelten.
2. »Polykulturelle Translation«
Wird Translation im engeren Sinn als jener Übersetzungs und Dolmetsch
prozess verstanden, der im Unterschied zum »habitualisierten« und »institutio
nalisierten Übersetzen« einen Transfer auf der Basis von Vermittlungsaktionen
ermöglicht, so sind diese Ausprägungen »polykultureller Translation« als ebenso
konstitutiv für die Monarchie zu bezeichnen wie die »polykulturelle Kommu
nikation« – wurde doch »naturgemäß […] im alten Österreich allenthalben Tag
und Nacht übersetzt« (Petioky 1998 : 351).117
In Anbetracht der Vielzahl an weithin benötigten Übersetzern und Dolmet
schern in einem multiethnischen Staat ist die Institutionalisierung der transla
torischen Tätigkeit durchgehend nur sehr schwach ausgebildet, was sich auch
in den wenigen Berufsbezeichnungen niederschlägt : Die Rede ist lediglich von
»Hofdolmetschern«, »Translatoren« und »Gerichtsdolmetschern«. Frühe Zeug
nisse aus dem 16. Jahrhundert belegen die Existenz von Hofdolmetschern, die
bei Verhandlungen des böhmischen Landtags für den habsburgischen Herr
scher bereitstanden. Die diesbezüglichen Dolmetscherverzeichnisse am Hofe
Rudolfs II. für die Jahre 1599–1606 zeugen insgesamt von reger Dolmetschtä
tigkeit (Bůžek 1993 : 588). Die berufsmäßige Position der »Translatoren« war
nicht einheitlich. So konnte die Tätigkeit entweder im Rahmen einer Vollbe
schäftigung bei einer Behörde erfolgen oder als Nebenbeschäftigung von Be
amten, andere waren als auswärtige Mitarbeiter beschäftigt und lieferten ihre
117 Im vorliegenden Kapitel wird ausschließlich auf den Bereich des Geschäftsübersetzens bzw.
dolmetschens eingegangen, dementsprechend werden die Arbeitsfelder Verwaltung, Gericht,
Gesetzestexte u.ä. untersucht.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437