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Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 221
standen, spätestens nach dem Ausgleich mit Ungarn, vehement auf ihrem Recht
auf Gleichbehandlung auch in urheberrechtlichen Fragen. Im Parlament wurde
dieses Anliegen im Kontext der urheberrechtlichen Frage mehrmals diskutiert,
so auch im Dezember 1895, als der Abgeordnete Roszkowski eindrücklich den
Beitritt zur Konvention forderte. Der Berichterstatter im Parlament für das Ur
heberrechtsgesetz, Abgeordneter Pietak, meinte hingegen, von einem prakti
schen Standpunkt nehme sich die Sache anders aus : »[…] denn jeder Staat, der
den fremdländischen Werken bei sich Schutz gibt, muß es im voraus sorgfältig
prüfen, ob dieser den ausländischen Werken gewährte Schutz dem inländischen geisti-
gen Leben Nutzen oder Schaden bringt« (Haus der Abgeordneten, Debatte, 16. 12.
1895, zit. nach Dillenz 1993 : 180, Hervorh.v.mir).
Die Weigerung der Monarchie, der Berner Konvention beizutreten bzw. die
Urheberrechtsfrage zufrieden stellend zu lösen, kann als eine der offiziellen Lo
gik entsprechende kulturpolitische Maßnahme interpretiert werden. Für den
Übersetzungsbetrieb hatte diese Politik unterschiedliche Auswirkungen. Zum
einen war, wie bereits Junker im Jahr 1900 feststellte, der Prozentsatz der Über
setzungen gegenüber der sonstigen literarischen Produktion sehr gering ; weiters
wurde, wie im nachstehenden Kapitel zu zeigen sein wird, vor allem Unterhal
tungsliteratur übersetzt und nur zu einem geringen Teil Werke, die im engeren
Sinn der Förderung von Bildung zugerechnet werden konnten. Junker zieht da
raus das Resümee :
Die culturellen Interessen der Bevölkerung der Monarchie würden demnach durch
den Anschluss an die Berner Convention nicht beeinträchtigt und der einzige Ein
wand gegen denselben erscheint somit als unbegründet. (Junker 1900 : 98)
Konzessionspflicht
Neben der »Preßgesetz«gebung und der Urheberrechtsfrage ist die Konzessi
onspflicht für Buchhandlungen ein aufschlussreiches Indiz für die Existenz len
kungsbestrebender Maßnahmen vonseiten des Staates und eine zentrale Frage
für die Distribution von Übersetzungen. Nach einer kurzen auch den Buchhan
del betreffenden Liberalisierungsphase durch Joseph II schrieb die Ordnung für
Buchhändler und Antiquare von 1806 die staatliche Kontrolle über den Buchhan
del für mehr als ein halbes Jahrhundert fort. Konzessionen durften nur mehr von
Landesregierungen vergeben und Buchhandlungen ausschließlich in Provinz
hauptstädten sowie in Kreisstädten betrieben werden, was zu einer Reduktion
der bestehenden Buchhandlungen und zu einer vorübergehenden Stagnation des
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437