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Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 299
Zur Rekonstruktion des Übersetzungsgeschehens in der Habsburgermon
archie bietet sich die Theorie der symbolischen Formen von Pierre Bourdieu
an. Die Anwendung dieser Theorie vermag nicht nur, wie zu zeigen sein wird,
die Machtverhältnisse in der Phase des Entstehens bzw. der Durchsetzung von
Übersetzungen überzeugend nachzuzeichnen, sondern auch die Dynamik der
involvierten AkteurInnen und Instanzen aufzudecken. Für die Rekonstruktion
der Vermittlung zwischen einzelnen Feldern, die dem Prozess der Übersetzung
im engeren Sinn zugrunde liegt, reicht die Theorie jedoch nicht zur Gänze aus.
Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die bourdieuschen Instru
mentarien für einen sogenannten »Raum der Vermittlung« nicht zuletzt auf
grund seines temporären Bestehens – das ja für seine Existenz konstitutiv ist –
nur unzureichend eingesetzt werden können. Es stellt sich deshalb die Frage, auf
welche Weise die bourdieusche Feldtheorie dynamisiert werden kann, um die
für die Rekonstruktion der Vermittlungs qua Übersetzungstätigkeit notwendi
gen Verknüpfungsmechanismen zwischen den relevanten Feldern nachzeichnen
zu können.259
Soziale Felder und ihre Funktionsregeln
Laut Bourdieu liegen dem Funktionieren eines Feldes vier Grundprinzipien zu
grunde : die Konstitution des Feldes als autonomes Feld der Praxis, die Ordnung
im Feld als hierarchische Struktur, der Kampf im Feld als seine Eigendynamik
und die Reproduktion des Feldes als Bedingung für seine soziale Dauer (vgl.
Papilloud 2003 : 59). Die Fokussierung auf die Transferleistungen zwischen
verschiedenen Feldern zeigt jedoch, dass das Phänomen der Vermittlung im
Rahmen der bourdieuschen Theorie nur in kaum zufrieden stellendem Maß
dargestellt werden kann : Wenn von einer vorläufig mit dem Arbeitsbegriff »Ver
mittlungsraum« belegten Denkfigur ausgegangen wird, der die Handlungen der
in den Transfer involvierten AkteurInnen des Übersetzungsbetriebs generiert,
so lässt sich erkennen, dass ein solcher »Vermittlungsraum« lediglich in Ansät
zen den hier vorerst nur kurz aufgezeigten Funktionsmechanismen entspricht.
Der Vermittlungsraum entsteht zwar ebenso wie jedes soziale Feld allmählich
durch den Einsatz seiner Akteure und Akteurinnen, doch sind diese im trans
latorischen Kontext nicht auf dauerhafte Beziehungen ausgerichtet, sondern
agieren aufgrund des kurzlebigen Charakters ihrer Beziehungen innerhalb von
259 Vgl. zu den folgenden Ausführungen und ihrer Bezugnahme auf Hermann Bahr als Kulturmitt
ler Wolf (2005) ; siehe ebenso Wolf (2011).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437