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Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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90 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie Das Phänomen der im habsburgischen Kontext ständig präsenten »Leichen« in der jeweiligen individuellen und kollektiven Sprachverwendung wurde bereits von der Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts erkannt. Hugo Schuchardt meint, dass »unter allen Fragen mit welchen die heutige Sprachwissenschaft zu thun hat, keine von grösserer Wichtigkeit ist als die der Sprachmischung«, denn : »es gibt keine völlig ungemischte Sprache« (Schuchardt 1884 : 3ff.). Die im Zuge der vielfachen Migrationen hervorgerufenen sprachlichen und kultu­ rellen Mischformen manifestieren sich laut Schuchardt im zentraleuropäischen Raum besonders deutlich im »Slawo­ Deutschen« und »Slawo­ Italienischen«, wo es zu zahlreichen Übergängen und (sprachlichen) Mittelstufen kommt, die sich in Zweisprachigkeit und »Sprachmischung« manifestieren und beweisen, wie verkehrt, im habsburgischen Kontext, die Auffassung von nationalen Ver­ schiedenheiten als Gegensätzen ist (ibid.: 155) – ein erstaunlich frühes Beispiel für eine Sicht von Kultur und auch von Sprache als Konstrukt, die monadische Vorstellungen verwirft und den Blick auf durch vielfache subjektive und kol­ lektive Berührungsmomente ausgelöste Hybridisierungsprozesse freilegt. Die in der Habsburgermonarchie zum Einsatz gebrachten Sprachen befanden sich demnach in einem dynamischen, von zahlreichen Konflikten begleiteten Ver­ hältnis, das von unterschiedlichen funktionalen Interessen geleitet war und eine Vielfalt von Lebensbereichen umfasste. Im Einzelnen handelt es sich um Prak­ tiken, für die aus noch darzulegenden Gründen die Termini »habitualisiertes« bzw. »institutionalisiertes« Übersetzen geprägt werden sollen. »Habitualisiertes Übersetzen« Diese Form des Übersetzens wird von den in der Gesellschaft vorherrschenden Kräften für die Bewältigung alltäglicher Kommunikationsprobleme von jenen (grundsätzlich anderssprachigen) Personen ungefragt verlangt, die zumeist in gesellschaftshierarchisch sekundär gelagerten Bereichen tätig sind. Es handelt sich dabei nicht um translatorische Praxis im engeren Sinn, vielmehr finden im Zuge dieser Tätigkeit permanente sprachliche bzw. kulturelle Transferpro­ zesse statt, die auf Zwei­ oder Mehrsprachigkeit beruhen und für die (zumeist berufliche, in vielen Fällen auch Lebens­ ) Existenz der diese Tätigkeiten Aus­ übenden konstitutiv sind. Ein kennzeichnendes Merkmal des »habitualisierten Übersetzens« ist, dass es tendenziell einseitig zielkulturell orientiert ist und vor­ rangig innerhalb mehr oder weniger stark asymmetrischer Kommunikationsbe­ ziehungen stattfindet. Es ist – im Unterschied zum »institutionalisierten Über­ setzen« – hauptsächlich auf mündliche Kommunikationsprozesse fixiert. Als
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Untertitel
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Autor
Michaela Wolf
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
442
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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