Seite - 216 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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Siebtes Kapitel
Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik
in der Habsburgermonarchie
Übersetzungspolitische Maßnahmen bedingen die Konstruktion kultureller
Heterogenität in entscheidendem Maß. Sie werden zwar, wie zu zeigen sein
wird, nicht direkt durch translatorisch determinierte Faktoren wirksam, sondern
vielmehr durch den Filter unterschiedlicher kulturpolitischer Bestimmungen,
doch sind sie in vielfacher Ausformung in allen Phasen des Übersetzungspro
zesses existent. Aus der engen Verknüpfung der Übersetzungspolitik mit den
Regeln der Kulturpolitik ergibt sich im Folgenden eine Konzentration auf den
Bereich der literarischen Übersetzungen, Theaterübersetzungen eingeschlossen.
Der Begriff der Übersetzungspolitik evoziert reglementiertes Vorgehen von
seiten des Staates oder einschlägiger Institutionen, das den Zweck verfolgt, die
kulturelle Praxis des Übersetzens unter festzulegenden Voraussetzungen ablau
fen zu lassen. Wie historische und auch zeitgenössische Erfahrungen zeigen,
läuft Übersetzungspolitik zumeist auf eine finanzielle, ideelle oder konzeptuelle
Förderung des translatorischen Phänomens hinaus, jedoch kann sich dahinter
ebenso die aus der Geschichte allzu bekannte Gleichschaltung aller kultureller
Produktion verstecken. Oftmals als »kulturpolitische«, »verlagspolitische« oder
einfach »ökonomische« Maßnahme von offizieller oder offiziöser Seite bezeich
net – oder unter einer solchen verschleiert –, ist die Kulturpraxis des Überset
zens, je nach Texttyp oder Textsorte der (vorrangig literarischen) Übersetzungen,
Höhen und Tiefen konjunktureller Geld und Interessensmärkte ausgesetzt.190
Die Gründe für die notorisch pekuniär und ideell unterdotierte Überset
zungstätigkeit sind nicht zuletzt auf eine international mangelnde offizielle An
erkennung des translatorischen Gewerbes zurückzuführen, fehlte und fehlt es
doch bis auf wenige Ausnahmen an staatlichen Förderungen für Übersetzungen,
190 Vgl. dazu Tourys Definition von Übersetzungspolitik : »Translation policy refers to those factors
that govern the choice of text types, or even of individual texts, to be imported through transla
tion into a particular culture/language at a particular point in time. […] Different policies may
of course apply to different subgroups, in terms of either text types (e.g., literary vs. non literary)
or human agents and groups thereof (e.g., different publishing houses) […]« (Toury 1995 : 58).
Grundlegende Bemerkungen zu Übersetzungspolitik siehe in Schäffner (2011).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437