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220 Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie
Urheberrechtsfrage
Eine weitere kulturpolitische Maßnahme, die schwerwiegende Folgen auf den
Bereich der Translation ausüben sollte, ist die Handhabe des Urheberrechts, an
deren Modernisierung der Staat lange Zeit geringes Interesse zeigte. Das Kai
serliche Patent von 1846 hatte den Schutz des literarischen und künstlerischen
Eigentums gegen unbefugte Veröffentlichung und Nachdruck zum Inhalt, für
Übersetzungen galt die Bestimmung, dass zum Zwecke der Urheberschaft ein
entsprechender Vorbehalt im Werk angemerkt werden müsse, der jedoch auch
nur ein Jahr Geltung hatte, dann sollte die Übersetzung frei sein. Das neue Ur
heberrechtsgesetz von 1895193 versuchte den im Patent von 1846 nur theoretisch
enthaltenen Gedanken der Einheitlichkeit des Urheberrechts entsprechend zu
konkretisieren, änderte den Schutz für literarische und künstlerische Produk
tion jedoch nicht grundsätzlich und gestaltete sich besonders nachteilig für das
Übersetzungsrecht. Der Autor/die Autorin einer Übersetzung konnte sich nun
für drei Jahre das Recht auf eine Übersetzung vorbehalten, wonach die Über
setzung für fünf Jahre geschützt wurde – insgesamt bedeutete das, dass nach
längstens acht Jahren ein Werk übersetzt werden konnte, ohne den oder die
UrheberIn auch nur im Geringsten dafür zu entschädigen (vgl. Noll 1994 : 32f.
und Gerhartl 2000 : 215f.). Der Vorbehalt musste deutlich erkennbar auf dem
Titelblatt oder in der Vorrede angebracht werden.
Das Fehlen internationaler Abkommen wurde als besonders nachteilig emp
funden. Die Habsburgermonarchie schloss zwar mit verschiedenen Einzelstaa
ten Urheberrechtsverträge ab (etwa mit Italien 1890 oder Spanien 1912), trat
jedoch der 1886 begründeten Berner Konvention nicht bei, was nicht nur dazu
führte, dass österreichische und ungarische AutorInnen und ÜbersetzerInnen
in weiten Teilen der Welt somit »vogelfrei« blieben (Junker 1900 : 71), sondern
auch viele der österreichischen Verlage vom internationalen Verkehr weitgehend
ausgeschaltet waren und so manche der involvierten AkteurInnengruppen ihre
Produkte im deutschsprachigen Ausland abzusetzen versuchten. Als ausschlag
gebender Grund für den nicht erfolgten Beitritt galt von offizieller Seite die
Rücksichtnahme auf das Lesepublikum der vor allem nicht deutschsprachigen
Nationen der Monarchie, denen der Zugang zu der für ihre Bildung notwen
digen Literatur nicht verweigert werden sollte ; durch einen Beitritt sahen vor
allem die slawischen Völker ihre billigen Übersetzungen gefährdet, und sie be
193 Das Kaiserliche Patent vom 19. Oktober 1846 ist in Granichstädten (1892 : 199–202), abge
druckt, das Urheberrechtsgesetz von 1895 in Dillenz (1989 : 183ff.).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437