Seite - 12 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 12 -
Text der Seite - 12 -
12 1. Einleitung
– bereits 1976 beantwortet.11 In dieser „frühen Meistererzählung“12 kommen be-
reits jene Grundprinzipien eines historiographischen Zugangs zur Anwendung, die
schließlich unter dem Namen „Mikrogeschichte“ zusammengefasst wurden. Später
bezeichnete Ginzburg selbst sein Buch als eine „aus großer Nähe vorgenommene[n]
Untersuchung“, sprach davon, durch eine Vergrößerung des Maßstabes „in ein gan-
zes Buch zu verwandeln, was für einen anderen Wissenschaftler […] nur eine einfa-
che Fußnote gewesen wäre“.13 Nun geht es jedoch nicht um die Untersuchung eines
an sich nebensächlichen Details. Es geht nicht vorrangig um die umfassende Be-
schreibung des Lebens Michael Pfurtschellers – auch wenn diese allerdings ein nicht
nur für den lokalen Interessentenkreis durchaus begrüßenswertes Nebenprodukt mit
einer ganzen Reihe von Anknüpfungspunkten für die historische Erforschung der
Geschichte Tirols in dieser Zeit ist. In Anlehnung an den von Clifford Geertz für
die Ethnologie formulierten und von Giovanni Levi für die Mikrogeschichte ad-
aptierten Leitsatz des Forschens in Dörfern anstelle des Erforschens von Dörfern,14
wird in der vorliegenden Arbeit eben nicht nur Michael Pfurtschellers Biographie er-,
sondern anhand dieser zu sozialen, politischen und kulturellen Entwicklungen der
Sattelzeit geforscht. Durch die Fokussierung auf dieses (vermeintlich) überschaubare
Forschungsfeld – eine einzige Person – wird es möglich, einer umfassenden Erschlie-
ßung aller zur Verfügung stehenden Quellen deutlich näher zu kommen, als dies aus
anderer Perspektive möglich wäre. Dadurch gelingt es etwa, die „sozialen Konturen“
einer Person hervortreten zu lassen, verschiedene Lebensbereiche können durch die
Kombination der Quellen „in Beziehung zueinander gesetzt werden“.15 Die „Rekons-
truktion von sozialen Netzen, von Spannungsfeldern und Gefällen zwischen Normen
11 Vgl. Carlo Ginzburg, Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers um 1600, aus dem Italieni-
schen übersetzt von Karl F. Hauber, Berlin 2007. (Titel der Originalausgabe: Il formaggio e i vermi.
Il cosmo di un mugnaio de ’500, Torino 1976.) – „Das Buch schrieb formal in vielem den stark von
der Ethnologie und von der an Symbolen orientierten Historischen Anthropologie geprägten Weg
der Mikrogeschichte in der Zukunft vor“, so erklärt Martin Scheutz. (Vgl. Martin Scheutz, „… ir-
gendwie Geschichte ist es doch“. Mikrogeschichte in der österreichischen Frühneuzeitforschung, in:
Was heißt „österreichische“ Geschichte? Probleme, Perspektiven und Räume der Neuzeitforschung
(Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit 6), hg. v. Martin Scheutz und Arno Strohmeyer, Inns-
bruck–Wien–Bozen 2008, S. 73–92, hier: S. 75.)
12 Scheutz, Geschichte, 2008, S. 75.
13 Vgl. Carlo Ginzburg, Mikro-Historie. Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß, in: Historische
Anthropologie 1 (1993), Heft 2, S. 169–192, hier: S. 181.
14 Vgl. Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, aus dem
Englischen übersetzt von Brigitte Luchesi und Rolf Bindermann, Frankfurt a. M. 1983, S. 30–34;
sowie: Levi, On Microhistory, 1991, S. 96.
15 Vgl. Otto Ulbricht, Mikrogeschichte. Menschen und Konflikte in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.
M. 2009, S. 14.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435