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14 1. Einleitung
tionalistischer Weise“ erklärt werden soll – sondern im Gegenteil, es wird von
„Widersprüchlichkeiten und Brüchen“ ausgegangen.18 Durch wiederholten Pers-
pektivenwechsel wird in der Folge versucht, eine entsprechende Kontextualisierung
zu erreichen. Dieses Wechselspiel von „Großaufnahmen“ – „close-ups“ – und „To-
talen“ – „long shots“ – wurde, in dieser Begrifflichkeit des Filmgenres, durch die
posthume Veröffentlichung der Aufsatzsammlung „History. The Last Things Before
the Last“ des Historikers und Filmsoziologen Siegfried Kracauer Ende der 1960er-
Jahre in die historiographische Methoden- und Theoriediskussion eingeführt.19 Seit
den 1990er-Jahren wurden diese Schlagworte immer wieder von verschiedenen His-
torikern aufgegriffen, die den mikrogeschichtlichen Zugang in ihren Forschungen
dadurch zu illustrieren trachteten.20 Geschichte könne geschrieben werden als „a
constant movement back and forth between the different levels, from the particular
to general, and the other way around“, wie sich Gianna Pomata bildhaft auf Kra-
cauer beruft,21 dann jedoch auch die Neuheit dieses Ansatzes relativiert. Schließlich
sei es „the historian’s most ancient and customary calling“, sich beständig zwischen
18 Ebd. – Ulbricht bezieht sich hier wiederum auf Giovanni Levi: „[…] microhistorians have concen-
trated on the contradictions of normative systems and therefore on the fragmentation, contradic-
tions and plurality of viewpoints […].“ (Levi, On Microhistory, 1991, S. 106 f.)
19 Vgl. Siegfried Kracauer, Geschichte – Vor den letzten Dingen, aus dem Amerikanischen übersetzt
von Karsten Witte, Frankfurt a. M. 1973.
20 Vgl. Ulbricht, Mikrogeschichte, 2009, S. 36. – Ulbricht verweist hier auf Martin Scheutz, der sich
im Rahmen seines Blickes auf „Mikrogeschichte in der österreichischen Frühneuzeitforschung“ die-
sen Begriffen widmet (Scheutz, Geschichte, 2008, S. 73 f.), auf Carlo Ginzburg, der die Überle-
gungen Kracauers gar als „die beste Einleitung in die Mikro-Historie“ bezeichnet (Ginzburg, Mi-
kro-Historie, 1993, S. 185.), Hans Medick (Hans Medick, Mikro-Historie, in: Sozialgeschichte,
Alltagsgeschichte, Mikro-Historie. Eine Diskussion, hg. v. Winfried Schulze, Göttingen 1994, S.
40–53, hier: S. 48–50.) sowie auf Gianna Pomata, die die Schlagworte Kracauers gleich in den
Titel ihres Aufsatzes aufgenommen hat (Gianna Pomata, Close-Ups and Long Shots: Combining
the Particular and the General in Writing the Histories of Women and Men, in: Geschlechterge-
schichte und Allgemeine Geschichte. Herausforderungen und Perspektiven (Göttinger Gespräche
zur Geschichtswissenschaft 5), hg. v. Hans Medick und Anne-Charlott Trepp, Göttingen 1998, S.
99–124.). Auch Ewald Hiebl und Ernst Langthaler nahmen jüngst in ihrer Einleitung zum Sam-
melband „Im Kleinen das Große suchen“ auf Kracauers „close-ups“ und „long shots“ Bezug. (Ewald
Hiebl/Ernst Langthaler, Einleitung: Im Kleinen das Große suchen. Mikrogeschichte in Theorie und
Praxis, in: Im Kleinen das Große suchen: Mikrogeschichte in Theorie und Praxis (= Jahrbuch für Ge-
schichte des ländlichen Raumes 2012), Innsbruck–Wien–Bozen 2012, S. 7–21, hier: S. 15.) – Dabei
liegt Kracauers so stark rezipiertem Vorschlag, „sich auf Großaufnahmen zu konzentrieren und von
ihnen aus beiläufig auf das Ganze zu gehen“ (Kracauer, Geschichte, 1973, S. 158.) ein Verständnis
von Mikrogeschichte zugrunde, das diese rein als kleinräumige „Tiefenbohrungen“ betrachtet, die in
striktem Gegensatz zu Makrogeschichte stehen (vgl. ebd., S. 125–161.) – ein Verständnis, das nicht
dem der vorliegenden Arbeit entspricht.
21 Pomata, Close-Ups and Long Shots, 1998, S. 115.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435