Seite - 18 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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18 1. Einleitung
dass auch Kriedte, Medick und Schlumbohm in ihren Fallstudien das „‚Konzept‘
Protoindustrialisierung […] als argumentatives Leitgerüst“ aufgegeben hätten.39 Es
sei jedoch eine Rückbesinnung auf die „ursprünglich im Zentrum stehenden wirt-
schaftshistorischen Fragen“40 wünschenswert, die er in den Überlegungen Ulrich
Pfisters41 begonnen sieht und selbst um die Bedeutung überregionaler Märkte und
der zentralen Rolle des Kaufmanns beziehungsweise Verlegers zu erweitern trachtet.42
Dazu bedient sich Gorißen der Geschichte der Firma Harkort aus dem westfälischen
Hagen, deren Verlagssystems in der Region und deren Handels mit Metallwaren, die
in der Grafschaft Mark produziert wurden.
Aus dem Folgenden wird deutlich werden, dass das Stubaital, im Besonderen ei-
gentlich der Ort Fulpmes, deutlich Merkmale aufweist, die im Verlauf der Debatte
um eine Protoindustrialisierung dieser als wesentlich zugerechnet wurden. Der oben
erwähnte „Strukturbegriff Protoindustrie“ erscheint treffend. Durchaus lässt sich Mi-
chael Pfurtschellers Heimatort als – wenngleich kleine – Gewerberegion begreifen, in
der in einer heimgewerblich-agrarischen Mischtätigkeit Metallwaren für den Export
produziert wurden.43 Ganz offensichtlich sind die Ähnlichkeiten zwischen dem von
Gorißen beschriebenen Harkort’schen Verlagssystem und dem, das Pfurtscheller im
Stubaital implementierte.
Auch im Folgenden steht zwar der Kaufmann beziehungsweise Verleger im Mit-
telpunkt der Untersuchung. Eine ausführliche Diskussion vor dem Hintergrund des
– wie ausgeführt von mehreren Seiten als mit großen Schwächen behaftet diagnos-
tizierten – theoretischen Konzepts der Protoindustrialisierung oder gar eine Über-
prüfung der Aussagen Gorißens anhand des offenbar ähnlichen Einzelfalles Stubaital
möchte die vorliegende Arbeit jedoch nicht leisten. Und sie vermag es auch nicht
– aufgrund der Beschaffenheit der Quellen einerseits,44 aufgrund der breiter gefä-
39 Gorißen, Vom Handelshaus zum Unternehmen, 2002, S. 19 f.
40 Ebd., S. 22.
41 Vgl. z. B. Ulrich Pfister, Proto-industrielles Wachstum: ein theoretisches Modell, in: Jahrbuch für
Wirtschaftsgeschichte 1998, Teil 2, S. 21–47; sowie: Ders., Protoindustrie und Landwirtschaft, in:
Protoindustrie in der Region. Europäische Gewerbelandschaften vom 16. bis zum 19. Jahrhundert
(Studien zur Regionalgeschichte 9), hg. v. Dietrich Ebeling und Wolfgang Mager, Bielefeld 1997, S.
57–84.
42 Gorißen, Vom Handelshaus zum Unternehmen, 2002, S. 22. In ähnlicher Weise argumentiert im
Übrigen auch Christian Kleinschmidt, Weltwirtschaft, Staat und Unternehmen im 18. Jahrhun-
dert – Ein Beitrag zur Protoindustrialisierungsdebatte, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 1
(2002), S. 72–86.
43 Vgl. Kriedte/Medick/Schlumbohm, Industrialisierung vor der Industrialisierung, 1977, S. 26.
44 Es fehlen unter anderem ausführliche geschäftliche Aufzeichnungen, wie sie für die Firma Harkort
zur Verfügung standen. Vgl. Gorißen, Vom Handelshaus zum Unternehmen, 2002, S. 41–44.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435