Seite - 30 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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30 1. Einleitung
der Zugang, für den Margret Friedrich mit ihrer Habilitationsschrift hier stellvertre-
tend stehen soll. Sie untersucht den „Umbau der ständischen in eine bürgerliche Ge-
sellschaft mithilfe des Rechts“, zeigt anhand von Kodifizierungen des Privatrechts die
normative Seite der gesellschaftlichen Umstrukturierung.84 Andererseits sind – be-
sonders mit Blick auf die Untersuchung der Eheschließungen Michael Pfurtschellers
– die historisch-anthropologischen Arbeiten Ellinor Forsters, Margareth Lanzingers
oder etwa auch Richard van Dülmens als wesentlich für die Kontextualisierung des
beobachteten Einzelfalls anzusehen.85 Sozialen und finanziellen Aspekten von Pfurt-
schellers Partnerwahl, aber auch seiner Rolle als Familienvater, wird innerhalb des
von den beiden erwähnten Zugangswegen in der Literatur aufgespannten Rahmens
nachzuspüren versucht.
– Weit differenzierter – und dies liegt nicht zuletzt in der Vielfältigkeit der wirt-
schaftlichen Standbeine Michael Pfurtschellers begründet – stellt sich der For-
schungsstand zum sechsten, dem der wirtschaftlichen Situation des Stubaitales im
betrachteten Zeitraum gewidmeten Abschnitt der vorliegenden Arbeit dar. Besonders
Pfurtschellers Rolle in Produktion von und Handel mit Kleineisenwaren und seine
Tätigkeit als Wirt stehen hier im Mittelpunkt des Interesses. Die vorhandene Litera-
tur zu Entstehung und Entwicklung der Kleineisenwarenindustrie der Region – und
auch zur Rolle Michael Pfurtschellers in diesem Zusammenhang – basiert, wie sich
in Abschnitt sechs der vorliegenden Arbeit zeigen wird, auf zum Teil fragwürdigen
Quellen.86 Wenig hat sich seit den frühesten Beschreibungen aus dem ersten Drittel
des 19. Jahrhunderts am Kenntnisstand geändert.87 Eine umfassende, quellenbasierte
84 Vgl. Margret Friedrich, Vom Umbau der ständischen in die bürgerliche Gesellschaft mithilfe des
Rechts. Eine diskursgeschichtliche Untersuchung zu österreichischen Privatrechtstexten 1753–1811,
Habil., Innsbruck 2002, S. 392.
85 Vgl. Ellinor Forster, Handlungsspielräume von Frauen und Männern im österreichischen Eherecht.
Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert zwischen Rechtsnorm und Rechtspraxis, phil. Diss.,
Innsbruck 2007; sowie: Margareth Lanzinger, Von der Linie zur Gegenseitigkeit. Heiratskontrakte
in den Südtiroler Gerichten Welsberg und Innichen 1750–1850, in: Aushandeln von Ehe. Heirats-
verträge der Neuzeit im europäischen Vergleich, hg. v. Margareth Lanzinger, Gunda Barth-Scalmani,
Ellinor Forster und Gertrude Langer-Ostrawsky, Köln–Weimar–Wien 2010, S. 205–369; sowie:
Lanzinger, Das gesicherte Erbe, 2003.
86 Im Zusammenhang mit der Verlässlichkeit zeitgenössischer „statistischer“ Daten, vgl. Jörg Rode,
Der Handel im Königreich Bayern um 1810 (Studien zur Gewerbe- und Handelsgeschichte der
vorindustriellen Zeit 23), Stuttgart 2001.
87 Vgl. Anton Kofler, Industrie und Handel, in: Stubei. Thal und Gebirg, Land und Leute, hg. v. Ge-
sellschaft von Freunden des Stubeithales, Leipzig 1891, S. 674–721; sowie: Hugo Scherbaum, Die
Entwicklung der Werkgenossenschaft der Stubaier Kleineisenindustrie in Fulpmes, Innsbruck 1903,
S. 5 f.; sowie: Inge Rhomberg, Die Stubaier Kleineisenindustrie. Ihre historischen Grundlagen, ihr
Werdegang und ihre gegenwärtige Lage, wirtschaftswiss. Diss., Innsbruck 1946; sowie: Franz Au-
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435