Seite - 63 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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3.1. 1797 63
unterscheidet sich von dem der erwähnten, von Pfurtscheller gestempelten Abschrift
sowie von dem der erwähnten Fotokopie. Die Darstellung weicht in einigen Punkten
ab, der Lesefluss wird mehrfach durch Einfügungen, Verschiebungen und Ergänzun-
gen unterbrochen.27
Wie bereits angedeutet, sind Pfurtschellers Schilderungen weit mehr als eine
bloße Zusammenstellung der Namen der Gefallenen, wie vom Landgericht gefor-
dert worden war. Pfurtscheller bemüht sich in seinem Bericht auch, einen größeren
Bezugsrahmen herzustellen, in den er dann seine Erlebnisse als Mitglied des Stu-
baier Landsturmaufgebotes und somit Zeitzeuge oder, wie er es ausdrückt, „Zeit- und
Kampfgenoße“28 einbaut. Bei dieser Darstellung handelt es sich also nicht um einen
unmittelbaren Erlebnisbericht. Erstens liegt eine große zeitliche Distanz zwischen
Erleben und Bericht darüber – 37 Jahre sind eine lange Zeit für das menschliche Er-
innerungsvermögen. Außerdem ist der Inhalt des Textes durchsetzt von Wissen über
die Kriegsereignisse von 1796/97, das sich Pfurtscheller mit großer Wahrscheinlich-
keit erst viel später angeeignet hat, beispielsweise, wenn er den Zustand einer fran-
zösischen Italienarmee zum Zeitpunkt, als Napoleon mit dem Kommando betraut
wird, analysiert.29 Pfurtscheller versucht, seinen Bericht auf verschiedenen Quellen
beruhen zu lassen. Allerdings erklärt er gleich eingangs, sein Bericht fuße auf einer
recht dünnen Quellenbasis. Aufgrund der vielen Arbeit als einziger Gehilfe in der Ei-
senwarenhandlung seines Stiefvaters sei er nicht dazu gekommen, viele Schriftstücke
zu sammeln. Für weitere und exaktere Auskünfte verweist er auf das Gerichtsarchiv,
Landrichter Joseph von Stolz30 habe sicherlich die in Frage kommenden Schriftstü-
cke gesammelt.31 Beim Versuch, die Aussagen Pfurtschellers mit jenen der gängigen
Literatur zu den kriegerischen Auseinandersetzungen im südlichen Tirol 1797 in
Verbindung zu setzen, ergeben sich fast in allen Punkten Parallelen, aber auch einige
kleine Ungereimtheiten, wie sich im Folgenden zeigen wird.
27 Vgl. Entwurf Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 1,
Nr. 19.
28 Kopie Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF-Bib., FB 55495, S. 1.
29 Vgl. ebd.
30 Joseph Michael Stolz von Latschburg (1772–1842) war seit März 1797 Richter des Gerichtes Stubai.
Er amtierte in seinem Wohnhaus in Schönberg. (Vgl. Rudolf von Granichstaedten-Czerva, Die bay-
erischen Landrichter in Tirol (1806–1814), Sonderdruck aus: Österreichisches Familienarchiv, Bd.
2, Neustadt a. d. Aisch 1962, S. 284.) Mit einer kurzen Unterbrechung – auf die in Kapitel 3.3.3.2.
noch ausführlich eingegangen wird – war er bis ins Jahr 1812 der für das Stubaital verantwortliche
Beamte.
31 Vgl. Kopie Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF-Bib., FB 55495, S. 1.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435