Seite - 71 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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3.1. 1797 71
den weiteren Verbleib Gänsbachers – wie erwähnt laut dessen eigenen und den Aus-
sagen Pfurtschellers der Hauptmann der Stubaier – äußert sich von Wörndle nicht.70
Gänsbacher selbst erklärt in seinen „Denkwürdigkeiten“, er habe die ganze Nacht
hindurch patrouilliert und sei von Wörndle erst später am Morgen nachgerückt, habe
die Kammhöhe zwischen Maulser und Valser Tal erst gegen Mittag erreicht, da er mit
seiner Mannschaft die „mit fast mannshohen Schnee bedeckte Ochsenalpe zu über-
steigen“ gehabt habe. Von hier aus habe er gleich zwei Patrouillen zu Wörndle abge-
schickt, um weitere Befehle einzuholen. Er bekam keine Rückmeldung, marschierte
folglich „auf gut Glück“ ins Valser Tal hinab ohne feindliche Truppen anzutreffen.
Unverrichteter Dinge zog man sich also wieder zurück, so Gänsbacher.71
Die Annahme erscheint gerechtfertigt, dass zumindest einige Stubaier Teil der Pa-
trouillenmannschaft ihres Hauptmanns Gänsbacher waren. Die Mehrzahl der Stu-
baier Landstürmer rückte jedoch wohl unter dem Kommando von Wörndles in die
Gegend um Spinges vor.72 Einige Stubaier Landesverteidiger, darunter auch der ver-
lorengegangene Anführer Franz Winkler, waren in der Zwischenzeit wohl der rech-
ten Kolonne zugeteilt worden. Diese sollte durch das Eggertal über das Penser Joch
ziehen, den Feind aus Schalders und Vahrn vertreiben und dann bis nach Tschötsch,
südlich von Brixen, vorrücken, kurz, die rechte Eisackseite besetzen.73
Es ist folglich nicht einfach, Michael Pfurtscheller aufgrund der vorhandenen
Quellen in diesen Tagen zu lokalisieren. Für ihn kommen drei Geschichten für den 2.
April, den Tag des allgemeinen Angriffs des Landsturmes, in Frage. Sein Bericht lässt
allerdings zumindest darauf schließen, dass er von Wörndles linker Kolonne zugeteilt
war. Am detailliertesten beschreibt Pfurtscheller die Kämpfe um Spinges. Ob es sich
hier allerdings um einen Augenzeugenbericht handelt, ist fraglich, da Pfurtscheller
seine Aufzeichnungen fast vierzig Jahre später verfasst hat und sich verschiedenster
Quellen bedient haben könnte. Einen Hinweis auf direkte Beteiligung an den Kämp-
fen könnte ein undatierter Notizzettel – Pfurtschellers Handschrift ist eindeutig zu
identifizieren – geben, der sich in seinem Nachlass findet. In Stichworten sind hier
die Ereignisse vom 1. und 2. April aufgezeichnet:
„Am 1 April bis Ritsail [Ritzail] – Am 2ten Nach der Messe & Nach Mitternacht wurde
über das Joh [Joch] nach den kl [kleinen] Ort Fals [Vals] – bis Weile [Weiler] Spings
70 Vgl. ebd., Bl. 5.
71 Vgl. Senn, Gänsbacher, 1986, S. 8.
72 Vgl. Bericht Philipp von Wörndles 1797, 18. Januar 1798, TLMF-Bib., Dip. 1232/II, Bl. 5 v–6 r;
sowie: Kolb, Freiheitskampf 1796/97, 1957, S. 645–649.
73 Vgl. Kopie Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF-Bib., FB 55495, S. 13; sowie:
Kolb, Freiheitskampf 1796/97, 1957, S. 633 f; sowie: Fontana, Südtiroler Unterland, 1998, S. 154 f.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435