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3.3. 1809 91
Untertanen nur zum Zwecke der Verteidigung der Landesgrenzen vorsah. Wie erfolg-
reich „die Tiroler“ in der Behauptung ihres althergebrachten Status quo waren, zeigte
sich bereits vor der bayerischen Übernahme des Landes auch in finanziellen Dingen.
So hatte Tirol zum Beispiel zum Steueraufkommen der Habsburgermonarchie, unter
dem Schutzmantel des gebetsmühlenartig angeführten Arguments, das Land sei so
arm, kaum etwas beigetragen.152
Auf bayerischer Seite war man sich dieses Reformunwillens durchaus bewusst.
Hofkommissär, später dann Generallandeskommissär153 Karl Graf von Arco154, der
im Februar 1806 in Innsbruck sein Amt antrat, wurde als oberster bayerischer Zivil-
beamter in Tirol angewiesen, bei der Umsetzung von Reformen behutsam vorzuge-
hen.155 Nichtsdestotrotz stand eine ganze Reihe von administrativen Umgestaltungs-
maßnahmen auf dem bayerischen Plan. Bayern sollte drastisch modernisiert werden,
und auch Tirol sollte da keinen Sonderstatus innerhalb des jungen Königreiches ein-
nehmen. Ein moderner absolutistischer Zentralstaat nach französischem Vorbild war
das bayerische Wunschziel.156 Dabei waren die geplanten Umordnungen jenen, an
deren Umsetzung die Beamten Josephs II. wenige Jahre zuvor gescheitert waren, sehr
ähnlich.157 Andreas Oberhofer sieht hier deutliche Kontinuitäten: „Was dem josephi-
nischen Reformeifer zum Verhängnis geworden war, nämlich der Versuch, Tirol in ei-
nem neu zu errichtenden österreichischen Gesamtstaat aufgehen zu lassen, griffen die
Bayern ab 1805 wieder auf.“158 Noch stärker betont wird dieser Umstand von Martin
Schennach, der weniger die neue bayerische Regierung mit ihrem Reformprogramm
als Zäsur betrachtet, als vielmehr die dieser vorangegangene 15-jährige Unterbre-
chung eines „dezidiert unilateral-zentralistischen“ Modernisierungsprogrammes seit
dem Tod Josephs II. Dessen Nachfolger Leopold II. und Franz II. waren zumindest
152 Vgl. Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S. 263; sowie: Reinhard Heydenreuter, Das Kö-
nigreich Bayern und der Tiroler Aufstand von 1809, in: 1809. Neue Forschungen und Perspekti-
ven. Tagungsbeiträge Tiroler Landesarchiv und Universität Innsbruck, Innsbruck, 17. und 18. April
2009 (Veröffentlichungen des Tiroler Landesarchivs 19), hg. v. Ronald Bacher und Richard Schober,
Innsbruck 2009, S. 23–35, hier: S. 28.
153 Mit dem königlichen Reskript vom 26. Juni 1806 wird das Hofkommissariat in Tirol zum General-
kommissariat. (Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1806, Nr. 29, 16. Juli 1806, S. 233.)
154 Karl Graf von Arco (1769–1856) – ein Schwager des bayerischen Königs – wurde im Frühjahr
1806 als Hofkommissar und damit höchster bayerischer Beamter nach Tirol entsandt. (Vgl. Thomas
Albrich/Roland Sila, Das Schwarzbuch der bayerischen Polizei Innsbruck 1809, Innsbruck–Wien
2010, S. 31 f.; sowie: Weis, Montgelas 2, 2005, S. 433 f.)
155 Vgl. Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S. 92 f.; sowie: Oberhofer, „Andere“ Hofer, 2009,
S. 262.
156 Vgl. Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S. 91–93 u. 328.
157 Vgl. Oberhofer, „Andere“ Hofer, 2009, S. 263–265; sowie: Schennach, Revolte, 2009, S. 188–235.
158 Oberhofer, „Andere“ Hofer, 2009, S. 264.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435