Seite - 99 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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3.3. 1809 99
„Die Geistes Cultur der gegenwärtigen Generation der Land- und Bergbewohner stehet
noch zur Zeit auf einer zu niedern Stuffe, als daß, von diesem ein so vollkommener Plan,
den das Allerhöchste Edikt vorzeichnet, mit Erfolg ausgeführet werden könnte.“187
In Fulpmes hatte man wohl mit Michael Pfurtscheller einen Gemeindevorsteher
gefunden, der den neuen, erweiterten administrativen Anforderungen an das Amt
gewachsen war. Allerdings entsprach auch seine Bestellung nicht in allen Punkten
den Vorgaben der neuen bayerischen Gemeindeverfassung. Paragraph 2 der Instruk-
tion der Gemeindevorsteher schließt nämlich Personen, „die eine offene Wirthschaft
betreiben“ vom Amt des Ortsvorstehers aus, da man einen Interessenskonflikt zwi-
schen den Interessen eines Wirtes und den Polizeiaufgaben eines Gemeindevorstehers
sah.188 Als Unterhalter einer Bierschenke entsprach Pfurtscheller also sicherlich nicht
den Wunschvorstellungen der bayerischen Obrigkeit im Bezug auf das Amt des Ge-
meindevorstehers.
Pfurtscheller jedenfalls berichtet Rapp, er wäre „einstimmig zum Ortsvorsteher
gewählt“189 worden, dabei kam den Gemeinden eigentlich nur noch ein Vorschlags-
recht zu. Die Einsetzung des Gemeindevorstehers oblag dann in der Folge jedoch
dem zuständigen Landgericht.190 Doch auch wenn Pfurtschellers Bestellung zum Ge-
meindevorsteher nicht in allen Punkten den neuen obrigkeitlichen Bestimmungen
entsprach, handelt es sich hier nicht um Ungehorsam der Gemeinde Fulpmes gegen-
über der neuen bayerischen Gemeindeverfassung. Tatsächlich wurde die Gemeinde-
reform nur in Teilen – vor allem der Bereich der regionalen Finanzverwaltung ist
hier zu nennen – wirklich umgesetzt.191 Im Jahr 1817, im Rahmen seines Ansuchens
an das Landgericht in Mieders um Entlassung aus dem Gemeindevorsteherdienst,192
erstattete Michael Pfurtscheller der Obrigkeit Bericht über seine Wahl im Jahr 1808.
Diesem Schreiben zufolge war Landrichter von Lama bei der Wahl Pfurtschellers
sogar zugegen, hätte also wohl durchaus die Möglichkeit gehabt, diese zu beeinspru-
chen. Pfurtscheller deutet hier außerdem an, wie die ereignisreichen und polititisch
instabilen Jahre seiner Amtszeit als Gemeindevorsteher dezidierte Aussagen diesbe-
züglich erschweren:
187 Zit. nach: Ebd., S. 124.
188 Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1808, Nr. 61, 19. Oktober 1808, Sp. 2433.
189 Pfurtscheller an Rapp – Nachträgliche Bemerkungen, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp,
Schuber 18 e, Nr. 5.
190 Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1808, Nr. 61, 19. Oktober 1808, Sp. 2433.
191 Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 273 f; sowie: Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S.
124–127.
192 Vgl. Kap. 4.2.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435