Seite - 112 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 112 -
Text der Seite - 112 -
112 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
kanten und unbeschäftigter Handelsleute, 3. Viele Vergantungen [Zwangsverstei-
gerungen] und allgemeine Verarmung“.245
Die Krise hatte zwei Hauptgründe. Zum einen mangelte es nach der Abwertung
der Bankozettel an „gutem Geld“. Die bayerische Regierung hatte es „verabsäumt, eine
entsprechende Menge Geld in Tirol einzuführen, wodurch der allgemeine Geldverkehr,
und damit auch der Handel, der durch die Kriege sowieso stark behindert war, fast zum
Erliegen kommen musste“.246 Landgerichtsaktuar Johann von Anreiter und der ehema-
lige Landrichter Joseph von Stolz beklagen in zeitgenössischen Berichten mehrfach die
Abwertung, beziehungsweise Außerkurssetzung der Bankozettel,247 die zur Folge hätten,
dass „sich die Geld Maße, und mit dieser der Waaren Verschleiß sehr verminderte“.248
Das zweite große Hindernis für den Handel in Tirol war im Gegensatz zu erste-
rem fremdbestimmt. Österreich hatte seine Grenzen für bayerische – also auch für
tirolische – Waren dicht gemacht. Auch nach Süden – die österreichisch regierten
Teile Oberitaliens waren ebenfalls ein traditionell wichtiger Absatzmarkt für Tiroler
Erzeugnisse gewesen – waren Exporte nur noch erschwert möglich. Grund dafür war
die Frankreichs Wirtschaft protektierende Politik Napoleons249. Ein Anfang 1808
geschlossener Handelsvertrag zwischen den Königreichen Bayern und Italien wurde
von Napoleon erst ein halbes Jahr später ratifiziert und konnte aufgrund der sich
überstürzenden Entwicklungen – auch aufgrund der Tiroler Erhebung 1809 – in den
Folgejahren nicht wirksam werden.250 In den Quellen zur wirtschaftlichen Lage des
Stubaitales lassen sich diese Entwicklungen nachlesen. Seit dem Wegfall des bisheri-
gen Hauptabsatzgebietes Österreich habe sich der Handel, so von Stolz, auf andere
Absatzmärkte konzentriert:
„Seit der Zeit, als die Einfuhr der Stubayer Fabrikate in die Oesterreichischen Provinzen
verbothen ist, hatte man den meisten Absatz nach der Schweiz, und denen Gegenden des
245 Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1806], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil A, Nr.
12.
246 Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S. 263.
247 Vgl. Statistische Nachrichten vom Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli,
TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teile A–I.
248 Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D., Statistische Nachrichten vom Thale Stu-
bay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil C, Nr. 30 u. 31.
249 Per Edikt vom 10. Juni 1806 verfügte Napoleon ein Verbot der Einfuhr ausländischer Erzeugnisse in
seine Länder. Auch die Warendurchfuhr wurde erschwert. (Vgl. F. Hirn, Geschichte Tirols, 1913, S.
221; sowie: Dietmar Stutzer, Andreas Hofer und die Bayern in Tirol, Rosenheim 1983, S. 164 f.)
250 Vgl. J. Hirn, Tirols Erhebung, 1909, S. 43; sowie: Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S.
269.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435