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120 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
1813277 sowie in einem undatierten „Concept“ aus seiner Hand zur Darstellung der
Kämpfe in und um Innsbruck vom 11. bis zum 13. April 1809.278 Dieses „Concept“
verdient jedoch in anderer Hinsicht Beachtung. Aus der Darstellung der Ereignisse
als „Heldenmüthige Erhebung eines Theil der Nordtiroler, zur abschüttelung des ver-
haßten Baiern Jochs“279 deutet sich nämlich ein klarer Widerspruch in den Aussagen
Pfurtschellers im Bezug auf das Verhältnis zur bayerischen Obrigkeit an, das er in
den bereits zitierten „Nachträgliche[n] Bemerkungen“ für Joseph Rapp als durchaus
positiv darstellt.280
Das bipolare Bild von Aufstandsbefürwortern als „Falken“ und Aufstandsgegnern
als „Tauben“ scheint auf Michael Pfurtscheller nicht anwendbar zu sein. Er erscheint
in den Quellen, was die Vorbereitungsphase der Erhebung betrifft, weder als das eine
noch als das andere. Er habe schlichtweg gar nicht gewusst, was bereits seit Monaten
vorbereitet worden war, sei „mit dem Strome weggerissen“ worden.281 Die Frage, ob
Pfurtscheller als Gemeindevorsteher von Fulpmes, Wirt und wichtigstem Händler
des Tales tatsächlich die Vorbereitungen zur Erhebung entgangen sein können, führt
in den Bereich der Spekulation. Ebenso tut dies die Frage, ob Pfurtscheller absicht-
lich erst so spät von den Eingeweihten von Stolz, Domanig und Lener ins Vertrauen
gezogen wurde, ob man dem Ortsvorsteher von Fulpmes, der Jahre später gegenüber
Rapp seinen Gehorsam und seine Pünktlichkeit gegenüber der bayerischen Obrigkeit
betonen sollte, vielleicht misstraute.
Martin Schennach betont in seiner Analyse möglicher Motive für eine Beteiligung
an der Erhebung gegen die bayerische Regierung, wie bereits erwähnt, die Bedeutung
des zeitlichen Faktors. Im Verlauf des Aufstandes konnte sich die Einstellung bezie-
hungsweise Rolle einzelner Protagonisten, besonders im Hinblick auf die Lage auf den
Hauptkriegsschauplätzen des neuen Krieges gegen Napoleon, verändern.282 Für Michael
Pfurtscheller lässt sich ein solcher Wandel nachvollziehen. Hatte er anfänglich angeb-
lich noch eine Nebenrolle gespielt und war dem Gedanken der Erhebung vielleicht
sogar skeptisch gegenübergestanden, entwickelte er sich, wie sich im Folgenden zeigen
wird, sehr schnell zu einem der Hauptprotagonisten des Aufstandes im Stubaital.
277 Vgl. Pfurtschellers „Kurzgefaßte Beiträge zur Kriegsgeschichte“, o. D. [1838], TLA, Landtagsakten
1839, Fasz. 75, Nr. 1105 [vgl. Anm. 6].
278 Vgl. „Concept“ Pfurtschellers zu Kämpfen 11.–13. April 1809, o. D., TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, III, Bund 2, Nr. 82.
279 Ebd.
280 Vgl. Pfurtscheller an Rapp – Nachträgliche Bemerkungen, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp,
Schuber 18 e, Nr. 5. – In diesem Abschnitt wurde darauf bereits näher eingegangen.
281 Ebd.
282 Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 240.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435