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134 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
hungsweise -wohnungen. Andreas Alois Dipauli340 und Anton Knoflach341 schildern
in ihren Tagebüchern aus dem Jahre 1809 die Ausschreitungen des 12. April, Dipauli
besonders ausführlich.342 Verharmlosend wirken demgegenüber die rund hundert
Jahre jüngeren Ausführungen Josef Hirns: Seitens „der Bauern“ sei es kaum zu nen-
nenswerten Übergriffen gegen die Innsbrucker Bürgerschaft gekommen. Man hätte
es lediglich für recht und billig befunden, dass die „Befreiten“, die Innsbrucker, nun
für die Verpflegung der „Befreier“, die Aufgebote aus den Landgemeinden, aufkom-
men sollten, habe sich nach Erhalt derselben jedoch mit einem „Vergeltsgott“ verab-
schiedet. Zu gröberen Ausschreitungen sei es nur in den Häusern des Bürgermeisters
Kasimir Schumacher und des Alois Niederkircher – Wirt zum Goldenen Adler – ge-
kommen. Letzterem habe man es nicht verzeihen können, „dass er zu zweien seiner
Kinder den König zur Patenschaft gebeten hatte“.343 Es sei vor allem das „rauflustige
340 Andreas Alois Dipauli [auch: Di Pauli] (1761–1839) war 1809 als Appellationsgerichtsrat in Innsbruck
tätig. Dipaulis Aufzeichnungen wurden 2008 von Wolfgang Meighörner ediert. (Wolfgang Meighörner,
Das Tagebuch des Appellationsrates Andreas Alois Baron Di Pauli von Treuheim, in: Wissenschaftliches
Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 1 (2008), S. 204–329.) Es handelt sich dabei, so analysiert Martin
Schennach, um Gedächtnisstützen für Dipaulis 1810 verfassten Erlebnisbericht „Meine Lage im Jahr
1809 mit einem Anhange vom Jahr 1810“. (Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 76.)
341 Anton Knoflach (1783–1842) war 1809 Rechtspraktikant in Innsbruck und als Hauslehrer bei Fami-
lie Dipauli beschäftigt. Seine Tagebuchaufzeichnungen wurden 1909 von Franz Schumacher ediert.
(Franz Schumacher (Hg.), Anton Knoflach’s Tagebuch über die Ereignisse in Innsbruck im Jahre
Neun (Anno Neun 13), Innsbruck 1909.)
342 Vgl. Schumacher, Knoflach’s Tagebuch, 1909, S. 8–10; sowie: Meighörner, Tagebuch Di Pauli,
2008, S. 219–226. – Auch die Wohnung Dipaulis wurde heimgesucht. Nur als Beispiel sei hier eine
kurze Passage aus dem Tagebuch Dipaulis zitiert: „[…] Die Kerls fielen aber über meinen gedeckten
Tisch her u. nahmen Zinnteller, silberne Löffel, die Weinflasche weg. Meine Magd Elisabet Käsba-
cherin räumte mit den Kerls ab, u. rettete so einen Theil des Silbers. Sie wollte einem den silbernen
Schöpflöffel aus der Hand winden, erhielt aber einen Schlagringstreich, daß sie zu Boden fiel, und
ihr Gesicht ganz mit Blut durchflossen wurde. […]“ (Vgl. Meighörner, Tagebuch Di Pauli, 2008, S.
222.) Auch andere Bürgerwohnungen, Dipauli führt mehrere Namen (Welden, Inama, Zehentmair,
Wild, Finster) an, seien überfallen und geplündert worden. (Vgl. ebd., S. 224.)
343 J. Hirn, Tirols Erhebung, 1909, S. 316; sowie viel früher und ausführlicher: Blaas, Josef Daney,
2005, S. 90. – „Der hohe symbolische Wert, den die Patenschaft in der bäuerlichen Volkskultur
einnahm, stigmatisierte einen Bürger wie Niederkircher augenblicklich, und zwar mehr als andere
Formen, ungleich massiverer Zusammenarbeit mit Bayern“, so schreibt Hans Heiss. (Vgl. Hans
Heiss, Differenzen zwischen Stadt und Land in Tirol 1809, in: Abschied vom Freiheitskampf? Tirol
und ‚1809‘ zwischen politischer Realität und Verklärung (Schlern-Schriften 346), hg. v. Brigitte
Mazohl und Bernhard Mertelseder, Innsbruck 2009, S. 153–174, hier: S. 172.) Im Gegensatz dazu
finden sich trotz der ebenfalls königlichen Patenschaft für dessen im Jahr zuvor geborene Zwillinge
keinerlei Hinweise auf ähnliche Anfeindungen gegen den Fulpmer Georg Jenewein. – Vgl. dazu die
Darstellung des Besuches des bayerischen Königs in Fulpmes im Jahre 1808 durch die Innsbrucker
Zeitung in Kap. 3.3.3.1.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435