Seite - 136 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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136 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
„Zugleich erlaube ich mir zu bemerken, daß ich vom Landsturm keine gutte Früchte erwarte,
wenn nicht bessere Ordnung eingeführt wird. Die mit Stutzengewehre, jene mit Musquetten
samt Bajonets, und jene mit andere Mordgewehre (keine Hirten Stecken) müsten abgeson-
dert stehen, um die Leute Gemeinden oder Compagnien weiß zu erhalten, müßten die Le-
bensmittel auf Wägen nachgeliefert werden, um das auseinanderschleichen zu heben; Das
übermässige Sauffen sollte vermieden und das Schümpfen ausschmähen und Comandiern des
nächsten besten Bauern Knechtes müste ganz unterbleiben, so auch das wilkihrliche Schies-
sen aufhören, und dagegen Einsichtsvolle Männer zu Anführern bestellet [werden.]“348
Von den erwähnten Plünderungen und Ausschreitungen am stärksten betroffen
waren die jüdischen Haushalte Innsbrucks. Einblick in die Ereignisse gibt ein Schrei-
ben des jüdischen Handelsmannes Abraham Dannhauser an das Generalkommis-
sariat des Innkreises vom 4. Dezember 1810, in dem Dannhauser um Erlass von
Abgaben für die Jahre 1809 und 1810 bittet:349
„[Er wurde] von dem fürgewesenen Bauernaufstand, wie der ganzen hiesigen Stadt bekannt,
so äußerst übel behandelt, an allen seinen Waaren, an allen Mobilien, Geräthschaften, und
Kleidern nicht nur haarklein beraubet, und ausgeplündert, sondern alle Thüren und Kästen
348 Michael Pfurtscheller an Elias Domanig, 18. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund
2, Nr. 36.
349 Der Tod des jüdischen Handelsmannes Abraham Dannhauser infolge von Misshandlungen durch
Aufständische erscheint, wie bereits Martin Schennach in seinem Werk analysiert hat (Schennach,
Revolte, 2009, S. 478 und 483.), fragwürdig, starb Dannhauser doch erst am 22. Juli 1819. (Vgl.
Martin Achrainer/Michael Guggenberger, Alphabetisches Verzeichnis der jüdischen Beerdigungen
in Innsbruck 1790–2002, in: Judenbichl. Die jüdischen Friedhöfe in Innsbruck, hg. v. Thomas
Albrich, Innsbruck–Wien 2010, S. 175–203, hier: S. 179.) Vor dem Hintergrund der Datensamm-
lung Achrainers und Guggenbergers erscheint jedoch auch die von Martin Schennach geäußerte
Vermutung, Dannhauser könnte mit dem jüdischen Handelsmann Jakob Bernheimer verwechselt
worden sein, als unhaltbar. Letzterer ist nämlich nicht, wie Schennach schreibt, „einige Tage nach
den Ausschreitungen verstorben“ (Schennach, Revolte, 2009, S. 478, Anm. 174.), sondern wohl
schon am 1. Februar 1809 (Vgl. Aufforderung an die Gläubiger Jakob Bernheimers, 24. März 1809,
in: Innsbrucker Zeitung, Nr. 27, 3. April 1809; sowie: Achrainer/Guggenberger, Jüdische Beerdigun-
gen, 2010, S. 178.), also vor den Ausschreitungen im Zuge des Tiroler Aufstandes. Aus den For-
schungen Martin Achrainers geht hervor, dass es wohl wirklich die Spätfolgen der Misshandlungen
im April 1809 waren, an denen Abraham Dannhauser zehn Jahre später starb. Achrainer bezieht sich
in diesem Punkt auf die Aufzeichnungen des Enkels Abraham Dannhausers, Wilhelm Dannhauser
(1839–1925), Handelsmann und Innsbrucker Gemeinderat von 1872 bis 1896. (Vgl. Martin Ach-
rainer, Gemeinderat Wilhelm Dannhauser. Selbstbewusstes Judentum zwischen „deutscher Treue“
und politischem Antisemitismus, in: Von Salomon Sulzer bis „Bauer & Schwarz“. Jüdische Vorreiter
der Moderne in Tirol und Vorarlberg, hg. v. Thomas Albrich, Innsbruck-Wien 2009, S. 225–264,
hier: S. 226 f.)
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435