Seite - 138 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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138 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Pfurtscheller sah in der Plünderung der Juden nicht nur ein moralisches Problem.
Er war sich außerdem des negativen Einflusses, den die Berichte von den Plünde-
rungen auf die Rezeption der Tiroler Erhebung haben würden, bewusst.356 In seinem
Nachlass findet sich ein Brief an einen nicht näher definierten, wohl aber als Histo-
riograph tätigen „Hr. Professor“357 vom 25. August 1833, in dem Pfurtscheller diesen
ausdrücklich darum ersucht, die Rolle der Bauern bei den unerfreulichen Vorfällen
jenes Tages zu relativieren:
„Noch finde nachzutragen, daß ich im Kloster zu Wilten – von einem Priester eine Perspek-
tiv lehnte um nach allen richtungen auszugucken, während diesen kurzen Zeitraum, war
die unvermuthete Plünderung der Juden am 12 April 1809 schon vorüber, dieser Flecken in
unsern Aufstand, ist lediglich dem Gesindel in der Kotlacke bej Innsbruck zuzuschrieben,
der Bauer hätte, ohne aufreitzung gar nicht daran gedacht, also belieben Sie lestern Stand
deshalb zu entschuldigen! Unter 12 Aposteln gab es auch einen Judas!“358
Eine ganz ähnliche Strategie verfolgt Pfurtscheller auch noch vier Jahre später in sei-
nem nun bereits schon mehrfach zitierten Schreiben an die Gebrüder Carnelli aus
dem Jahr 1837. Im Schlussabsatz offenbart er den Adressaten den wohl eigentlichen
Grund seines Schreibens. Er ersucht sie um Ausstellung eines Zeugnisses über sein
vorbildhaftes Verhalten während der chaotischen Szenen in Innsbruck 28 Jahre zuvor:
„Inzwischen bitte ich Sie meine Herren, ein Zeugnis der Art ausstellen zu wollen, daß
ich mit meinen Stubaier durch Mannszucht zur in Zaum Haltung – des übelgesinnten
356 Auch Martin Schennach betont die negativen Folgen von derartigen Vorfällen für die Außenwahr-
nehmung der Erhebung der Tiroler. Diese seien in der Folge vielfach als „Räuberbande“ oder „Räu-
berhorde“ bezeichnet worden. (Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 474.)
357 Ob es sich beim Adressaten um Joseph Rapp handelte, ist unklar. Die datierbaren Schreiben Pfurt-
schellers in der Materialiensammlung des Geschichtsschreibers im TLA entstanden erst einige Jahre
später, das erste im Jahr 1837. (Vgl. Pfurtscheller an Rapp – Begleitschreiben, 20. September 1837,
TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 10.) Außerdem bezieht sich Pfurtscheller im
Schreiben an „Hr. Professor“ auf offenbar bereits fertiggestellte Textstellen, die Pfurtscheller hier mit
Änderungsvorschlägen kommentiert: „Ich suchte und fande nicht richtig, daß der Freiwillige Zug
auf daß Mittelgebirge ober den Dorfe Hötting bei Ihnen auf den 30 Oktober 1809 vorgemerkt, es
war wirklich der 25te Oktober […] den 30ten belieben Sie zu aendern!!“ (Pfurtscheller an „Hr. Pro-
fessor“, 25. August 1833, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 77.) Martin Schennach
zufolge begann Rapp jedoch erst „Mitte der dreißiger Jahre“ mit den Vorarbeiten zu seinem 1809-
Werk. (Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 29 f.) – Es handelt sich bei diesem Schreiben wiederum,
ebenso wie beim bereits erwähnten, an die Gebrüder Carnelli adressierten Schreiben, entweder um
das niemals abgeschickte oder zurückgesandte Original oder aber um einen Entwurf.
358 Pfurtscheller an „Hr. Professor“, 25. August 1833, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 77.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435