Seite - 139 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 139 -
Text der Seite - 139 -
3.3. 1809 139
Kotlackler Völklein wesentlich beigetragen habe: u. richten Sie dieses von mir nachträglich
gewunschene Zeugnis so ein, daß es von mehrere Bürger mitunterzeichnete werden kann!
(wozu ich schon vorläuffige Zusage habe) Ersuchen Sie den Hrn. Stadtbaumeister Hutter359
aldort! Welcher mich eben seit den Jahr 1809 persohnlich kennt, um Auskunft.“360
In zweifacher Weise distanziert sich Pfurtscheller also von den Geschehnissen in der
Stadt. Er sei erstens zur fraglichen Zeit gar nicht in der Stadt gewesen, konnte also
auch gar nichts gegen die Ausschreitungen und Plünderungen unternehmen. Die-
sen Umstand betont er auch gegenüber Joseph Rapp.361 In seinem Schreiben an die
Gebrüder Carnelli aus dem Jahre 1837 macht Pfurtscheller diesbezüglich allerdings
andere Angaben. Er selbst sei zwar nicht in der Nähe gewesen und hätte daher per-
sönlich auch nichts gegen die Ausschreitungen unternehmen können, er und der
bereits erwähnte Axamer Wirt Georg Bucher hätten jedoch „Sicherheitswachen“
aufgestellt, „um Angriffe und Mißhandlungen – zu verhüthen; was auch mit guten
Erfolge geschah“.362 Die Aufstellung von Wachposten zur Verhinderung von Exzes-
sen, von der Pfurtscheller hier berichtet, ist in verschiedenen Quellen, wie auch in
der rezipierenden Literatur, ein wiederkehrendes Motiv, und wird auch von Martin
Schennach aufgegriffen. Passeirer, Ötztaler, Landecker und Silzer seien in diesem Zu-
sammenhang besonders positiv erwähnt worden.363 Pfurtscheller selbst berichtet von
dieser Begebenheit nur in diesem Schreiben an die Gebrüder Carnelli. Die zweite
Argumentationslinie Michael Pfurtschellers ist eine, die Jahrzehnte später auch Josef
359 Gemeint ist hier wohl Josef Franz Huter (1777–1842). Dieser war 1809 Gemeindebeisitzer und von
1810 bis 1814 Gemeindevorsteher in Hötting. 1809 war er an den Kämpfen am 12. April in Inns-
bruck beteiligt und wurde außerdem mehrfach als Kurier ins kaiserliche Hoflager entsandt. 1819
übersiedelte er nach Innsbruck, wurde ein Jahr später Oberstadtbaumeister. Für seine Verdienste um
die Landesverteidigung 1809 erhielt er 1828 die Kleine Goldene Ehrenmedaille. (Vgl. Albrich/Sila,
Schwarzbuch, 2010, S. 136 f.; sowie: Blaas, Josef Daney, 2005, S. 421; sowie: Schmölzer, Kampf-
genossen, 1905, S. 63; sowie: Ferdinand von Scala, Josef Franz von Sales Huter. Stadtbaumeister in
Innsbruck, ein vergessener Patriot aus den Franzosenzeiten, Innsbruck 1903.)
360 Pfurtscheller an Gebrüder Carnelli, 3. Juni 1837, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 85.
361 „Während dieses unrühmlichen Ereigniß, war ich im Thurme zu Wilten – mit zwej andere Kriegs-
kammeraden, um die Stellung von Freund und Feind zu beobachten […]“ (Vgl. Pfurtscheller an
Rapp – Nachträgliche Bemerkungen, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 5.)
362 Pfurtscheller an Gebrüder Carnelli, 3. Juni 1837, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr.
85.
363 Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 476 f. – Dies mag für den späteren Verlauf der Erhebung zutref-
fen. Am 12. April waren in erster Linie die Aufgebote aus der näheren Umgebung von Innsbruck in
der Stadt aktiv. Eine Abteilung „Passeirer Bauern“ überquerte den Brenner wohl erst später am Tag,
wohl in Verfolgung der aus Süden anrückenden gegnerischen Verstärkungstruppen. (Vgl. Unterla-
gen zu J. Rapp Tyrol 1809, TLMF-Bib., FB 1648, Periode I, Nr. 27.)
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435