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144 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Stadt wurden von Tiroler Aufgeboten besetzt.379 Der bereits erwähnte Anführer des
Wiltener Aufgebotes, Joseph Patsch, erzählt in seinem Bericht von der Ankunft der
Stubaier am Bergisel und bestätigt Pfurtschellers Schilderung:
„Auf einmal tönte vom Isel hernieder eine türkische Musik, ‚das sind die Stubayer‘, hieß es
freudvoll und alles strömte ihnen in Unordnung entgegen; sie zogen nach den Höfen am
Bergfuße, bunt gemischt aus Schützen vieler Gemeinden, während auch beim Bierstindl
sich immer eine größere Maße Landvolk sammelte.“380
Angesichts der Übermacht der Tiroler Aufgebote rings um die Stadt und der Nach-
richt, dass die in Innsbruck stationierten bayerischen Truppen am Vortag ihre Waffen
gestreckt hatten, zog es General Bisson381, der Kommandant der eben in Wilten ein-
gerückten Abteilungen, vor, zu kapitulieren.382 Noch vor Abschluss der Kapitulation,
laut Joseph Rapp fand die Unterzeichnung um acht Uhr fünfzehn statt,383 hätten
einzelne Tiroler Aufgebote bereits gegnerische Truppenteile zur Aufgabe überredet
beziehungsweise genötigt. Pfurtscheller erwähnt in diesem Zusammenhang das Hal-
ler Aufgebot, welches die französische Kavallerie zum Absitzen gezwungen habe.384
Auch die Stubaier trugen jedoch, so berichtet Pfurtscheller weiter, das ihre zur Ge-
fangennahme der gegnerischen Truppen bei. Ein Teil der Mannschaft sei durch den
Hohlweg von der Anhöhe des Bergisels in die Felder von Wilten vorgerückt und
379 Vgl. ebd.
380 „Beyträge zur Geschichte des Tiroler=Krieges im Jahre 1809, von Joseph Patsch“, TLA, Materialien-
sammlung Rapp, Schuber 13, Hs. 7, S. 30 f.
381 Pierre Francois Comte de Bisson (1767–1811) war im Laufe der Koalitionskriege schon an den
verschiedensten Kriegsschauplätzen in Europa im Einsatz gewesen. Im April 1809 sollte er gewis-
sermaßen im Durchmarsch von Norditalien nach Bayern die Unruhen in Tirol unterbinden. (Vgl.
Blaas, Josef Daney, 2005, S. 406.)
382 Eine ausführliche Darstellung des Hergangs der Kapitulation findet sich sowohl im Werk Josef Hirns
als auch in dem Joseph Rapps. (Vgl. J. Hirn, Tirols Erhebung, 1909, S. 326–328; sowie: Rapp, Tirol
1809, 1852, S. 124–128.) – Pfurtscheller selbst schreibt in seinem Bericht an das Landgericht Matrei
aus dem Jahr 1819 nicht zuletzt dem selbstbewussten Aufmarsch seiner Mannschaft am Bergisel eine
psychologische Wirkung auf die gegnerischen Truppen in der Ebene zu: „Als die in Schlachtordnung
zu Wilten aufgestellten Feinde – statt ihren Nachtrapp am Iselberge – die Stubajer Bauern mit flie-
genden Fahn u. klingenden Spiele kommen sahen, sodann wurde die in der Geschichte berühmte
Capitulazion mit Titl. Hrn. Major Teimer sichtbar beschleuniget[.]“ (Entwurf Bericht Pfurtschellers
betreffend 1809 an das LG Matrei, 18. März 1819, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2,
Nr. 79.)
383 Vgl. Rapp, Tirol 1809, 1852, S. 128.
384 Joseph Rapp übernimmt diese Passage aus einem Bericht Pfurtschellers nahezu wortwörtlich. (Vgl.
Rapp, Tirol 1809, 1852, S. 129 f; und: Pfurtscheller an Rapp – Nachtrag und Ergänzung zur Schil-
derung von 1819, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 9.)
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435