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3.3. 1809 145
habe sieben Pferde erbeutet. Er jedoch sei mit dem größeren Teil seiner Mannschaft
entlang der Straße vorgedrungen und habe zwei französische Lagerfahnen erbeutet,
ehe man dann in der Ebene Teile der gegnerischen Infanterie kampflos gefangen
nehmen konnte. Ohne größere Kampfhandlungen konnten somit die rund 4000
französisch-bayerischen Truppen unter General Bisson entwaffnet werden.385
Die nun folgenden Szenen ähnelten denen des Vortages. Viele „Bauern“ hielten
sich nicht an militärische Konventionen, so heißt es in verschiedenen Berichten.
Diesmal standen hauptsächlich Ausrüstung und Pferde der gegnerischen Solda-
ten im Fokus des Interesses der Tiroler Plünderer. Die Darstellungen Dipaulis und
Pfurtschellers ähneln sich in diesem Punkt.386 Während Pfurtscheller einen auf dem
Weg nach Wilten gefangen genommenen piemontesischen Offizier noch mit den
Worten „Non avete di temere niente, noi Tirolesi siamo Christiani“387 zu beruhigen
versucht habe, zeigte sich bald darauf, dass die Sorgen des Offiziers wohl doch nicht
ganz unangebracht gewesen waren. Denn obwohl in Paragraph 4 der am Vormittag
abgeschlossenen Kapitulation vereinbart worden war, dass den Offizieren „Bagage
und Pferde und Seitengewehre freigelassen und als ihr Eigenthum respektiert“ wer-
den sollten,388 wurde rücksichtslos geplündert und die Gegner aller Habseligkeiten
beraubt,389 so Pfurtscheller. „Das Landvolk“ hätte von den Kapitulationsvereinba-
rungen gar nichts gewusst, berichtet er weiter.390 Martin Schennach zufolge war es
jedoch wohl unerheblich, ob die Kapitulationsvereinbarungen nun bekannt waren
oder nicht. Grundsätzlich sei „die Bereitschaft, […] von ihrem Plünderungsrecht
Abstand zu nehmen“ auf der Seite der Aufständischen recht „gering ausgeprägt“ ge-
385 Vgl. Pfurtscheller an Rapp zu den Ereignissen im April, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp,
Schuber 18 e, Nr. 8; sowie: Pfurtscheller an Rapp – Nachtrag und Ergänzung zur Schilderung von
1819, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 9; sowie: Standesliste Fulpmes
an Joseph Kirchmair, 30. Juni 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 49; sowie:
Entwurf Bericht Pfurtschellers betreffend 1809 an das LG Matrei, 18. März 1819, TLMF, Hist.
Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 79. (als Nr. 78 auch abschriftlich ebenda).
386 Vgl. Meighörner, Tagebuch Di Pauli, 2008, S. 228–232.
387 Übersetzung MS: „Ihr habt nichts zu befürchten, wir Tiroler sind Christen!“ (Vgl. Pfurtscheller an
Rapp, 29. Juli 1839, TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 2.)
388 Kapitulationsvereinbarung zwischen Teimer und Bisson, Innsbruck, 13. April 1809, zit. nach: Rapp,
Tirol 1809, 1852, S. 128.
389 Martin Schennach zitiert Akten aus dem Bayerischen Staatsarchiv, in denen „156 im April 1809 in
Innsbruck gefangen genommene Offiziere und Unteroffiziere einen Gesamtschaden von ca. 126.000
Gulden geltend machen, den sie durch Plünderungen der Tiroler erlitten hätten“. (Schennach, Re-
volte, 2009, S. 475.)
390 Pfurtscheller an Rapp – Nachtrag und Ergänzung zur Schilderung von 1819, o. D., TLA, Materiali-
ensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 9.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435