Seite - 146 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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146 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
wesen.391 „Toll und wüst“ sei es zugegangen, berichtet Pfurtscheller an Joseph Rapp
und ergänzt die folgende Anekdote, die Einblick in die chaotische Szenerie gibt:
„Mir begegnete ein Franz. Offizier welchem schon sein Degen entrissen war, hatte aber
noch sein Dienstschild um den Hals – ich Redete ihn in seiner Muttersprache also an392
Herr wartten Sie – geben Sie mir Ihren Dienstschild – er stand still – hatte den Ersten
Knopf gelöst – als derselbe auf den zweiten griff – fuhr mir ein unbekannter Bauer von
hinten über die Schulter u. entriß mir gewaltsam u. blitzschnell dieses Zeich. Mein Nachruf
Halt Landsmann, wirkte nicht auf das Raubsüchtige Gemüth dieses Oberinnthalers393: Es
ging toll und wüst zu – während dieses Getümmel kam ein zweiter Offizier beide bathen
mich – ich möchte selbe in die Stadt begleitten; was ich ihnen zusagte.“ 394
Die beiden Offiziere und Mitglieder des 3. Infanterieregiments wurden nun von ei-
nem Teil des Stubaier Aufgebotes in die Stadt eskortiert, um sie zu Sammelplätzen für
Gefangene zu bringen. Für die gefangenen Offiziere sei ein Sammelplatz beim Stams-
erwirt in Hötting395 eingerichtet gewesen, so Pfurtscheller. Auf dem Weg dorthin
spielten sich wiederum chaotische und dramatische Szenen ab.396 Man sei mehrfach
von bewaffneten „Hauffen“ bedroht worden, einige „schlecht bewaffnete Bauern von
Arzl“ hätten den Stubaiern „Mistgabel + etc. auf die Brust“ gesetzt. Als Pfurtschel-
ler diese jedoch angeschrien habe, er sei auch Tiroler, die Soldaten seine Gefange-
nen, habe man sie weiterziehen lassen. Die Erleichterung der beiden französischen
Offiziere sei jedenfalls groß gewesen, als der Sammelplatz in Hötting erreicht war,
berichtet Pfurtscheller. Sie „betheuerten in gegenwart ihrer Collegen – dieser Edle
Mann hatte uns daß Leben gerettet“, erzählt er weiter und ergänzt noch eine weitere
Anekdote, die wohl seine Milde gegenüber den Gefangenen nochmals verdeutlichen
391 Schennach, Revolte, 2009, S. 164.
392 Darüber, wie Pfurtscheller seine Sprachkenntnisse in Italienisch und Französisch erworben hatte,
finden sich keine konkreten Hinweise in den Quellen. Auf seine Bildung wurde bereits näher einge-
gangen. (Vgl. Anm. 387; sowie: Kap. 2.2. u. 2.3.)
393 Natürlich ist hier fraglich, wie Pfurtscheller diesen Mann als Oberinntaler identifiziert haben will.
Denkbar ist, dass Pfurtscheller eventuell vorhandene Ressentiments aufgegriffen hat. Martin Schen-
nach zitiert die Zeilen eines Volksliedes in dem es beispielsweise heißt: „Die Oberländer Schützen
seind lauter Wildleut; Sie haben nur zum Spreizen und Beutmachen Schneid […]“. (Schennach,
Revolte, 2009, S. 474, Anm. 146).
394 Pfurtscheller an Rapp – Nachtrag und Ergänzung zur Schilderung von 1819, o. D., TLA, Materiali-
ensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 9.
395 Das Gebäude des „Stamserwirt“ hat heute die Adresse Höttinger Gasse 45. (Vgl. Bundesdenkmal-
amt (Hg.), Die Kunstdenkmäler Österreichs. Tirol (Dehio-Handbuch Tirol), Wien 1980, S. 38.)
396 Vgl. Blaas, Josef Daney, 2005, S. 70–72.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435