Seite - 159 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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3.3. 1809 159
zufolge standen zu diesem Zeitpunkt lediglich 64 Schusswaffen zur Verfügung. Ein
beträchtlicher Teil der Mannschaft war entweder mit Lanzen oder sonstigen Hieb-,
Stich- oder Schlagwaffen ausgerüstet, bei einigen Männern ist gar keine Waffe ange-
führt. Außerdem geht aus dieser Zusammenstellung hervor, dass viele Landstürmer
wohl nicht mit eigenen Waffen ausrückten, sondern diese ausliehen. Häufig wurden
wohl auch mehrere Waffen mitgeführt, meist eine Schusswaffe, ergänzt durch eine
Hieb- oder Stichwaffe.459 Angesichts des Bedrohungsszenarios im Unterinntal wurde
zwar wohl mit Nachdruck an der Verbesserung der Ausrüstung der Landsturmmann-
schaft gearbeitet, ehe vier Tage später tatsächlich ausgerückt wurde. Die Anweisung
Pfurtschellers an die Daheimgebliebenen in seinem Schreiben aus Tulfes vom Abend
des 14. Mai, Lanzen anzufertigen und mit der Proviantlieferung nachzuschicken,
weist jedoch darauf hin, dass die Bewaffung ein Problem darstellte.460 Denselben
Schluss lässt auch die bereits zitierte Standesliste zu, die am 30. Juni 1809 für den
„Defensions-Delegierten“ Joseph Kirchmair erstellt wurde. Nach seinem kurzen Be-
richt über die Ausrückungen der Stubaier im Rahmen der Erhebung bis zu diesem
Zeitpunkt bemerkt Pfurtscheller, nur etwa die Hälfte der in der Liste beschriebenen
135 waffenfähigen Männer zwischen 18 und 50 Jahren – 123 davon seien nach Tulfes
ausgerückt – sei mit Schusswaffen ausgerüstet gewesen, „alle übrigen waren – mit
Piken, Lanzen und Holzachsen [Äxte] bewafnet“. Munition sei außerdem nach wie
vor Mangelware.461
Am Morgen des 16. Mai, bereits um vier Uhr, verfasste Pfurtscheller neuerlich
ein Schreiben an die Gemeindevorstehung von Fulpmes. Unter dem Eindruck des
Brandes von Schwaz462 – „gester und heute Nachts war unglaublich greulich und
bedauernswerth anzusehen. Der Brand in Schwatz“ – forderte Pfurtscheller neben
459 Vgl. Standesliste Gemeinde Fulpmes, 10. Mai 1809, TLA, Standeslisten der Landesschützen und
Landsturmkompanien 1809, Bündel VII, Abt. 27, Gericht Mieders, Beilage zu Nr. 19.
460 „[…] und die Bestellten Lanzen nach dem Muster [hier die kleine Skizze einer Lanzenspitze mit
einem Widerhaken] ausfertigen möchten, die Klingen dürfen etwas länger, und die Stihle mit Eisen
beschlagen werden! Diese haben Beyfall.“ (Pfurtscheller an Gemeindevorstehung Fulpmes, 14./15.
Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 26.) – Es handelt sich dabei – das ist
zumindest aus der erwähnten Skizze zu schließen – wohl nicht um die Umsetzung des Ratschlages
Chastelers vom 18. April aus der Innsbrucker Zeitung, „sich annoch mit einer 10 bis 12 Schuh langen
Picke – oben mit einem Haggen, und unten mit einem eisernen Spitz zu versehen“, die als Steighilfe
im Gebirge, zum Auflegen der Schusswaffe und zum Einsatz im Handgemenge dienen sollte. Klinge
und Anordnung des „Widerhakens“ auf Pfurtschellers Skizze schlossen eine Verwendung als Auflage
für eine Schusswaffe wohl eher aus. (Vgl. Innsbrucker Zeitung, Nr. 31, 24. April 1809.)
461 Vgl. Standesliste Fulpmes an Joseph Kirchmair, 30. Juni 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III,
Bund 2, Nr. 49.
462 Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 556–560. – Vgl. außerdem Anm. 143.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435