Seite - 160 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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160 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Nachschub an Brot, Branntwein und Munition nun alle noch im Stubai verfügbaren
Mannschaftsreserven an.463 Das Schreiben sollte „eilligst, nur eilig“ nach Fulpmes be-
fördert werden, so Pfurtscheller ergänzend zur Adressierung. Das geschah auch. Ein
Vermerk des Empfängers Michael Falbesoner auf der Rückseite des Schreibens weist
darauf hin, dass dieses bereits spätestens um 11 Uhr vormittags in Fulpmes war.464
Pfurtscheller sah also – die Dringlichkeit seines Schreibens weist darauf hin – die
wachsende Bedrohung durch das Vorrücken der gegnerischen Truppen. Dabei unter-
schätzte er den Ernst der Lage noch. Er hoffte zu diesem Zeitpunkt noch auf breite
Unterstützung durch reguläre österreichische Truppen, zum einen durch jene, die sich
unter Chastelers Kommando inzwischen nach Steinach am Brenner zurückgezogen
hatten,465 zum anderen durch General Jelačić466, dessen Truppen Gerüchten zufolge
von St. Johann aus den Gegnern in den Rücken fallen würden.467 Die Meldung über
Jelačićs Anrücken im Osten Tirols machte auch im Stubaital die Runde. So berichtete
Schutzdeputationsmitglied Joseph von Stolz in einem Rundschreiben vom 16. Mai an
die Gemeindevorstehungen im Tal überschwänglich, die gegnerischen Truppen seien
bereits eingeschlossen, ihre Kapitulation stehe unmittelbar bevor, „Jelaschiz [Jelačić]
stehe[n] mit starker Macht hinter ihnen zu Wörgl“.468 Die Freude währte jedoch nur
kurz, bereits um elf Uhr vormittags revidierte von Stolz seine Jubelmeldung:
„Um mich von der Verläßlichkeit der Aussage des Kuriers Friedolin wegen Einsperrung der
Feinde zwischen Rattenberg, u. St. Johann zu überzeugen, ritt ich selbst nach Steinach, um
den Innhalt der Depesche einzusehen, – Allein, aus der Depesche war nur so viel abzuse-
hen, daß Feld Marshall Lieutnant Jelaschitz [Jelačić] über Pinzgau mit einem beträchtlichen
Sukurs [Verstärkung] anrücke, nicht aber, daß er schon wirklich in St. Johann stehe, noch
weniger daß die Feinde schon eingeschlossen seyen.“ 469
463 Vgl. Pfurtscheller an die Gemeindevorstehung Fulpmes, 16. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, III, Bund 2, Nr. 31.
464 Falbesoner leitete das Schreiben Pfurtschellers an die übrigen Gemeinden im Stubai weiter. Auf der
Rückseite des Schreibens vermerkte er: „Ist retour zu Sänden, und der Schleinigste Wirksamste Gebrauch
und Vorkehrung zu machen, den 16 May 11 Uhr Vormitag – M. Falbesoner“ (Vgl. Pfurtscheller an die
Gemeindevorstehung Fulpmes, 16. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 31.)
465 Vgl. Schemfil, Freiheitskrieg, 2007, S. 102–110.
466 Generalmajor Franz Freiherr Jelačić de Bužim (1746–1810) – (Vgl. Wurzbach, Lexikon, Bd. 10,
Wien 1863, S. 136–138; sowie: Blaas, Josef Daney, 2005, S. 422.)
467 Vgl. Pfurtscheller an die Gemeindevorstehung Fulpmes, 16. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, III, Bund 2, Nr. 31.
468 Von Stolz an die Gemeindevorstehungen Stubaital I, 16. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, III, Bund 2, Nr. 30.
469 Von Stolz an die Gemeindevorstehungen Stubaital II, 16. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435