Seite - 166 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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166 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Auch der Landsturm von Fulpmes wurde an diesem 18. Mai wiederum zum Ausrü-
cken aufgerufen.493 Ob jedoch auch wirklich wieder ausgezogen wurde, ist fraglich.
Michael Pfurtscheller selbst dürfte jedenfalls nicht neuerlich ausgerückt sein. Darauf
weist ein von ihm am Abend dieses 18. Mai in Innsbruck verfasstes Schreiben an
die Gemeindevorstehung von Fulpmes hin.494 In diesem Schreiben informiert Pfurt-
scheller die Fulpmer über die neuesten Entwicklungen in der unübersichtlichen Si-
tuation dieser Tage, die er offenbar im Innsbrucker Landhaus in Erfahrung gebracht
hatte:
„Ich ging in das Landhaus – wo eine große Versammlung war, und erbatt mir von Hrn.
Riß495 – in geheim – über dermallige Umstände nähere Auskunft zu geben, Ich erfuhr – daß
kein Millitair Sukurs kommen wird, indem auch Erzh. Johann schon bis Graz Rettiriert
und Erzherzog Karl hinter Wien gedrükket worden seye; Diese Unfälle führen nun die
Nothwendigkeit herbei, mit die Feinde ohne fernere gegenwehr – zu Capitulieren!“496
493 „Die Sturm Aufforderungs Zuschrift von 17 do. von der Bauern Schutz Deputation zu Innsbruck,
habe um 8 Uhr Vormittag erhalten, und diene das hiesige Sturmmannschaft bereit wehre nachzurü-
cken, nur wissen aber noch nicht ob die übrigen Stubajschen Gemeinden ausziehen?“, das berichtet
Pfurtscheller an Gerichtsanwalt Elias Domanig am Vormittag des 18. Mai 1809. (Vgl. Michael
Pfurtscheller an Elias Domanig, 18. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr.
36.) Um die Frage nach dem Verhalten der anderen Stubaier Gemeinden zu klären hatte Pfurt-
scheller wohl die Nachricht an den Gemeindevorsteher von Neustift gesandt, deren Beantwortung
durch Wendelin Volderauer sich im Nachlass Pfurtschellers erhalten hat. (Wendelin Volderauer
an Michael Pfurtscheller, 18. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 35.)
Einstweilen wurden die Fulpmer Landstürmer von Pfurtscheller „um Mittag“ dazu aufgefordert,
sich in Bereitschaft zu halten: „Die Waffenfähige Mannschaft welche zur daigen Sturm-Compagnie
gehöret – hat sich nebst der Rüstung – und Proviant dergestalt in Bereitschaft zu halten, daß selbe
bej wiederholten Trommelschlag alsogleich, sich vor der Behausung des Michael Purtscheller vulgo
Grander versammeln […] Die Mannschaft hat besonders für gutes Fußgewand zu sorgen, und sich
mit dem erforderlichen auf die Dauer von mehreren Tagen gefaßet zu machen.“ (Landsturmaufruf
Pfurtschellers, 18. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 34.)
494 Vgl. Pfurtscheller an Gemeindevorstehung Fulpmes, 18. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, III, Bund 2, Nr. 37.
495 Joseph Riß (1737–1814) betrieb eine Spezerei- beziehungsweise Gemischtwarenhandlung in Inns-
bruck. Er war in den Jahren 1795 bis 1807 Bürgermeister der Stadt. 1809 ist er in der Schutzde-
putation in Innsbruck aktiv. (Vgl. Nekrolog auf Joseph Riß, in: Der Bote von Tirol, Nr. 7, 25. Januar
1815, S. 64 f.; sowie: Granichstaedten-Czerva, Alte Garde, 1932, S. 38 u. 186; sowie: Otto Stolz,
Geschichte der Stadt Innsbruck, Innsbruck 1959, S. 161.)
496 Vgl. Pfurtscheller an Gemeindevorstehung Fulpmes, 18. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, III, Bund 2, Nr. 37. – Von den Ereignissen dieses Abends im Innsbrucker Landhaus berichtet
Pfurtscheller auch später, im Schreiben an „Hr. Professor“ nochmals ausführlich. Er sei auf Einla-
dung des ehemaligen Innsbrucker Bürgermeisters Joseph Riß bei den Beratungen der Schutzdeputa-
tion dabei gewesen. Allerdings unterläuft Pfurtscheller hier ein Fehler hinsichtlich der Datierung
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435