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3.3. 1809 167
Die Innsbrucker Schutzdeputation beziehungsweise das, was nach der Flucht einiger
Deputierter übrig geblieben war,497 hatte sich angesichts der fehlenden Unterstüt-
zung durch das österreichische Militär also gegen eine weitere Konfrontation mit
den vorrückenden bayerischen Truppen entschieden.498 Nun stellte sich allerdings die
Frage, wie Tausende von aufgebrachten Landstürmern zur Heimkehr bewegt werden
konnten. Es sollten, so entschied man, „acht Bauern der Schutzdeputation mit vier
Priestern zu den Sturmmassen gehen“.499 Es war jedoch wohl nicht ganz einfach,
diese zwölf Abgesandten zu finden. „Einige Bauerndeputirte waren sehr furchtsam, u.
wollten sich davon schicken“,500 berichtet Dipauli in seinen Tagebuchaufzeichnun-
gen. Auch Pfurtscheller berichtet in seinem erwähnten Schreiben an die Gemeinde-
vorstehung in Fulpmes von diesen Schwierigkeiten. Schließlich habe er sich überre-
den lassen, gemeinsam mit anderen den Aufruf zum Rückzug an die Landstürmer zu
überbringen:
„Und was traurig ist – will sich niemand in das Lager der Stürmer wagen, sogar die Bauern
selbst – förchten sich mit ihre wüthigen Cameraden diesfalls zu sprechen; ich wurde durch
die sehr kleinmüthigen Hrn. Schutz Deputations Herren so dringend gebethen – und nicht
mehr aus dem Sitzungs Saale gelassen, um mich zu dem höchst wichtigen Missions Ge-
schäft gebrauchen zu lassen!“501
Zur „Mission“ – von Josef Hirn als „lebensgefährliches Wagnis“502 bezeichnet – er-
klärte sich neben anderen auch noch ein zweiter Stubaier bereit. Joseph von Stolz
habe sich wie Pfurtscheller überreden lassen, so Dipauli, „u. sie reiseten um 12 U.
[Uhr] in den schon bereit stehenden Wagen ab“.503 Von Stolz zog in die Stellungen
der Landstürmer auf dem südlichen Innufer rund um Volders, Pfurtscheller über-
dieser Ereignisse. Diese hätten sich am Abend des 19. Mai ereignet, so Pfurtscheller, seinem eigenen
Schreiben aus Innsbruck vom Abend des 18. Mai 1809 widersprechend. (Vgl. Pfurtscheller an „Hr.
Professor“, 25. August 1833, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 77.)
497 Vgl. J. Hirn, Tirols Erhebung, 1909, S. 428–431.
498 Vgl. Unterlagen zu J. Rapp Tyrol 1809, TLMF-Bib., FB 1649, Periode II, Nr. 49; sowie: Meighör-
ner, Tagebuch Di Pauli, 2008, S. 284–286; sowie: J. Hirn, Tirols Erhebung, 1909, S. 428–431;
sowie: Rapp, Tirol 1809, 1852, S. 294–296; sowie: Schemfil, Freiheitskrieg, 2007, S. 112.
499 Rapp, Tirol 1809, 1852, S. 294.
500 Meighörner, Tagebuch Di Pauli, 2008, S. 286.
501 Pfurtscheller an Gemeindevorstehung Fulpmes, 18. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III,
Bund 2, Nr. 37.
502 J. Hirn, Tirols Erhebung, 1909, S. 431.
503 Meighörner, Tagebuch Di Pauli, 2008, S. 286.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435