Seite - 188 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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188 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
aufgrund der schwierigen Versorgungssituation in Innsbruck und der drohenden
Umzingelung durch Landesverteidiger zum Rückzug veranlasst.584
In seinen die Ereignisse des Jahres 1809 betreffenden Berichten widmet Pfurt-
scheller den Tagen zwischen Lefebvres Marsch über den Brenner und dessen Räu-
mung Tirols nur wenige Zeilen. Somit ist auch unter Berücksichtigung der wenigen
erhaltenen – das Stubai betreffenden – Quellen die Nachvollziehung der Rolle von
Stubaier Aufgeboten in den Kämpfen im August 1809 schwierig:
Unter den Aufgeboten, die Lefebvre und seinen Truppen auf dem Rückzug nach
Innsbruck das Leben schwer machten, war wohl auch ein 439 Mann starkes aus dem
Stubaital. Auf Aufforderung Andreas Hofers, verfasst am 8. August 1809 in Kalch
im Jaufental, zogen, so Pfurtscheller, 439 Stubaier am 11. August „gegen Matrej-
wald-Bergisel […], wo die Retirierenden Feinde heftig verfolgt […] wurden“.585 Die
Aufforderung Hofers, auf die Pfurtscheller Bezug nimmt, dürfte dabei wohl nur der
584 Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 132 f.
585 Entwurf Bericht Pfurtschellers betreffend 1809 an das LG Matrei, 18. März 1819, TLMF, Hist.
Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 79. – Eine Aufforderung Andreas Hofers an die „Brüder von
Axiums [Axams] und dieser ganzen Gegend“ aus Kalch im Jaufental vom 8. August 1809, wohl
zumindest ähnlich der, die Pfurtscheller erwähnt, findet sich in der Unterlagensammlung Joseph
Rapps in der Bibliothek des Ferdinandeums. (Vgl. Unterlagen zu J. Rapp Tyrol 1809, TLMF-Bib.,
FB 1650, Periode III, Nr. 202.) In edierter Form ist das Schreiben bei Andreas Oberhofer zu finden:
„Brüder v Axiums und dieser ganzen Gegend. Eben den Augen Blick haben wir einen Deputierten
in Oberinthal abgeordnet, kann also die Zeit nicht bestimmen, wann sie mit ihren Sturm anrücken
werden; sobald Ihr aber von oben oder von hier aus merken sollet, daß wir uns nähern, so dörfet
Ihr keinen Augenblick versaumen, die Waffen zu ergreifen, es ist eine Sache, wo es um Religion und
Khristenthum zu thun ist. […]“ (Oberhofer, Weltbild, 2008, S. 258 f.) Ein Artikel in der Tiroler
Schützenzeitung aus dem Jahr 1852 berichtet – leider ohne jegliche Quellenangaben – von den Bo-
ten Andreas Hofers, die dessen Aufforderung aus Kalch ins Stubaital brachten: „Als die Baiern wieder
bis Sterzing vorgedrungen, und dort auf Tuis eine feste Stellung genommen, Andreas Hofer aber
schon das Aufgeboth an seine Leute erlassen und den Tag zum Angriffe bestimmt hatte, so schickte
er ehevor den Sebastian Gufler (seinen innigsten Vertrauten), den Thomas Platter und das soge-
nannte Wildjägerle von Rabenstein über das Timmlserjoch, über alle Eisferner und Jöcher bis ins
Stubaierthal zum Wirthe, um die Nachricht zu bringen, daß in Sterzingen angegriffen werde, und
sobald die Feinde über den Brenner hinausgejagt, ihnen die Stubaier in die Flanke fallen, und tüchtig
drein geben sollten. Von dort eilten sie schnell wieder zurück über die Waldrast, über den Brenner
und die Sterzinger Gebirge bis Gasteig und Kalch, wo Sandwirth sein Hauptlager aufgeschlagen.
Nur durch ihre Schnelligkeit entrannen sie noch, denn um 11 Uhr Mittags waren sie in Stubai ange-
kommen, und um 12 Uhr hatten die Baiern dies erfahrend schon 200 fl. auf ihre Köpfe als Spionen
gesetzt.“ (Tiroler Schützen-Zeitung, Nr. 46, 8. Juni 1852, S. 199.) Auch in seinem Bericht aus dem
Jahr 1838 erwähnt Pfurtscheller Boten Andreas Hofers, die „über die Ferner [Gletscher] und Meran
anhero“ dessen am 8. August in „Kalk“ verfassten Aufruf ins Stubaital brachten. (Vgl. Pfurtschellers
„Kurzgefaßte Beiträge zur Kriegsgeschichte“, o. D. [1838], TLA, Landtagsakten 1839, Fasz. 75, Nr.
1105, S. 10 [vgl. Anm. 6].)
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435