Seite - 192 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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192 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Auch in einer weiteren das Stubaital betreffenden Quelle geht es um Hilfeleistung
für die Kämpfer rund um den Bergisel, diesmal jedoch nicht um personelle, sondern
um materielle. An die Stelle der erwähnten Forderungen nach Versorgungslieferun-
gen durch das in und um Innsbruck stationierte Militär traten nun die der Tiroler
Landesverteidiger. In einem Schreiben vom 14. August fordert Joachim Haspinger598
von den Stubaier Gemeinden Lebensmittellieferungen für die Landesverteidiger. Be-
merkenswert ist dabei der drohende Unterton der Aufforderung. Dieser unterschei-
det sich kaum von dem der bayerischen Militärs, die noch zwei Wochen zuvor von
den Gemeinden des Tals Kontributionen gefordert hatten.599 Die „daheimgebliebe-
nen“ Stubaier wurden nun von Tiroler Seite eindrücklich ermahnt, den Forderungen
nachzukommen:
„[…] so werden Sie aufgefordert, uns mit Lebensmittel zu unterstützen, mit Rindvieh, Ger-
sten, und andere vorrethige Sachen zu schicken, werden Sie aber selbes nicht thun, so sehen
wir uns mit Leidwesen gezwungen, eine Execution hinein zu schicken oder unsere Posten
zu verlassen und die Stürmer zu euch zu schicken, dann wird euer Vieh Raub der Feinde,
eure Häuser verbrannt, eure jungen Leute Bayerische Soldaten. Denket, was ihr anfanget,
wenn ihr itz uns nicht unterstützet.“600
Weitere das Stubaital betreffende Quellen aus diesen Tagen fehlen.601 Obwohl ihm
nicht einmal alle genannten Quellen als Grundlage zur Verfügung standen, rekon-
struiert Maretich die Aktionen der Stubaier und Michael Pfurtschellers in seinem
Werk über „Die vierte Bergiselschlacht“ recht detailliert. Besonders betont er dabei
die Rolle der Stubaier bei den Angriffen auf die gegnerische Marschkolonne zwi-
Stubaier „unter Schützenhauptmann Pfurtscheller“ als „letzte Reserve“, die erst gegen Mittag durch
das zitierte Schreiben Hofers zum Ausrücken aufgefordert wurde. Der tatsächliche „Auftritt“ der
Stubaier Mannschaft erfolgt bei Schemfil dann am Nachmittag (um 17 Uhr) des 13. August. Die
Mannschaft sei zu diesem Zeitpunkt dazu verwendet worden, einen allgemeinen Angriff der gegne-
rischen Truppen auf den Bergisel und den Paschberg zurückschlagen zu helfen. (Vgl. Schemfil, Frei-
heitskrieg, 2007, S. 222, außerdem Skizzen XX und XXV.) Schemfil bemerkt jedoch auch, dass die
Kämpfe am Bergisel im August, ebenso wie die im Mai 1809, „mangels an authentischen Quellen
[…] in ihren Einzelheiten“ nicht dargestellt werden können. (Ebd. S. 219, Anm. 15.)
598 Joachim Haspinger (1776–1858), Kapuzinerpater aus St. Martin in Gsies im Pustertal, war führend
an den Kämpfen im August 1809 beteiligt. (Vgl. Albrich/Sila, Schwarzbuch, 2010, S. 171–173.)
599 Vgl. Anm. 578.
600 Unterlagen zu J. Rapp Tyrol 1809, TLMF-Bib., FB 1650, Periode III, Nr. 221. – Auf der Rückseite
des Schriftstückes findet sich ein Vermerk aus der Hand Michael Pfurtschellers: „Natters 14 Aug
1809 Scharfe Aufforderung des Feldpater Joachim Haspinger – bej Hr. Oberkom. And. Hofer um
Lebensmittel Unterstützung.“
601 Vgl. Anm. 597.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435