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196 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Auch die übrige Mannschaft sollte sich für den Fall eines neuerlichen bayerischen
Angriffs in Bereitschaft halten. Zumindest in Fulpmes scheint man diesem Aufruf
Purtschers eine Woche später gefolgt zu sein. Am 8. September wandte sich Gemein-
devorsteher Pfurtscheller an die Fulpmerinnen und Fulpmer:
„Nachtrag
Zufolge des so eben abgelesenen Bericht vom 1ten dies M. [Es ist wohl das eben zitierte
Schreiben Purtschers gemeint.], und Auftrag vom 18ten August618 soll alle Streitbare Man-
schaft von 18 bis 60 Jahre in Compagnien organisieret werden.
Zur Ausführung dieses Geschäftes wird heute um 11 uhr Mittag der Anfang gemacht. Es
werden demnach alle Haushälter und wo es keine Mänlichen giebt die Weiber aufgefordert
– in die Behausung des Johan Luz zu erscheinen, um daß mehrere – wegen errichtung der
Aufgebots Compagnien zu vernehmen, und sich darnach unstreittig-willig zu fügen!
Die Medrazer [Medraz ist ein rund einen Kilometer südlich vom Hauptort gelegener Orts-
teil von Fulpmes.] – und alle auswerdige zur Obley Fulpmes gehörige Leute haben bis 1
Uhr Nachmittag zu erscheinen.“619
Die Organisation dieser „Aufgebots Compagnien“ scheint jedoch an diesem 8. Sep-
tember noch nicht vollständig erledigt worden zu sein. Darauf weist ein Schreiben
Hofers an den Stubaier Gerichtskassier Elias Domanig vom 22. September hin, in
dem der Oberkommandant noch einmal konkrete Anweisungen zur Organisation
der Stubaier Landesverteidiger erteilt. Seine einleitende Bemerkung, sich auf „die
wegen Ausrückung der Compagnie bis 23. d. M. gerügten Anstände“ zu beziehen,
lässt auf Schwierigkeiten bei der Organisation des Stubaier Aufgebotes schließen. In
neun Punkten konkretisiert Hofer daher nun seine Bestimmungen. Alle Waffenfähi-
gen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren sollten demzufolge in Kompanien eingeteilt
werden, die nummeriert und mit Offizieren versehen werden sollten. Das Stubai
618 Vgl. Oberhofer, Weltbild, 2008, S. 289.
619 Aufruf Pfurtschellers an die Fulpmer, 8. September 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III,
Bund 2, Nr. 58. – Dieser Aufruf ist an die Haushaltsvorstände von Fulpmes gerichtet. Diese sollten
zu einer Versammlung im Wirtshaus des Johann Lutz erscheinen, in deren Rahmen die Organisation
der waffenfähigen Mannschaft gemäß dem Aufruf des Oberkommandanten Hofer vom 18. August
1809 erfolgen sollte. (Vgl. Oberhofer, Weltbild, 2008, S. 289.) Aus denjenigen Haushalten, in de-
nen es keine männlichen Haushaltvorstände gab, sollten die „Weiber“ zur Versammlung kommen.
In Fulpmes betraf dies, der bereits erwähnten Auflistung der waffenfähigen Mannschaft vom 20. Au-
gust 1809 nach zu schließen, lediglich ein Haus. (Vgl. Beschreibung der waffenfähigen Mannschaft
Fulpmes, 20. August 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 54.) In welcher Form
diese Frauen zur Landesverteidigung beizutragen hatten, geht aus den vorliegenden Quellen nicht
hervor.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435