Seite - 202 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 202 -
Text der Seite - 202 -
202 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
auf seine Ansprüche auf Tirol verzichtete. Unverzüglich wurden von Napoleon nun
Truppenkontingente abgeordnet, die die Erhebung in Tirol endgültig niederschlagen
sollten. Von Süden und Südosten begannen Truppen des italienischen Vizekönigs
Eugène de Beauharnais ihren Vormarsch, im Nordosten waren es drei bayerische
Divisionen unter den Generälen Deroy und Wrede sowie unter Kronprinz Ludwig,
die unter dem Oberbefehl General Drouet d’Erlons639 durch das Inntal vorrücken
sollten.640
Die Tiroler wurden durch eine am 19. Oktober 1809 veröffentlichte Proklamation
vom Friedensschluss in Kenntnis gesetzt. Trotzdem wurden die Verteidigungsbestre-
bungen fortgesetzt. Teilweise wurde der „feindlichen“ Proklamation wohl einfach
nicht geglaubt, hatte doch der Kaiser höchstpersönlich im Wolkersdorfer Handbillet
versprochen, keinem Frieden zustimmen zu wollen, der Tirol vom österreichischen
Territorium trennen würde, teilweise war es jedoch wohl auch die Ignoranz einiger
„Falken“ im Umfeld des Tiroler „Oberkommandos“, die zur Fortführung der Revolte
führte.641
Die bereits Anfang Oktober begonnenen „Schanzarbeiten“ am Bergisel wurden
nun auf Geheiß Hofers noch einmal intensiviert. Auch ins Stubaital erging eine dies-
bezügliche Aufforderung an die Gemeinden. „Männer und auch Weibsbilder“ sollten
mit „Pikel, Schaufel und Hacken“ bis spätestens sieben Uhr früh am Morgen des 21.
Oktober am Bergisel eintreffen. Eine Aufforderung, der man, zumindest in Fulpmes,
auch prompt nachkam, so Pfurtscheller.642
Nicht nur die beiden erwähnten Schützenkompanien mit ihren Hauptleuten Lutz
und Schönherr bezogen dann Ende Oktober in den erneuerten Verschanzungen am
Bergisel Stellung. Am 22. Oktober 1809 um fünf Uhr morgens erhielt Pfurtscheller
ein von Hofers Adjutant Purtscher verfasstes Rundschreiben, das den Landsturm des
Tales auf den Bergisel rief:
„An alle Gemeinden in Stubaj Tag u. Nacht zu gehen bej strengster Verantworthung
Offene Ordre
639 Jean Baptiste Drouet Comte d’Erlon (1765–1844) steigt im Zuge der Koalitionskriege zum Divi-
sionsgeneral auf. Bereits im August 1809 ist er als Generalstabschef Lefebvres in Tirol. (Vgl. Blaas,
Josef Daney, 2005, S. 410.)
640 Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 135–137.
641 Vgl. ebd.; sowie: Mazohl, Österreich und Europa, 2009, S. 73 f.
642 Vgl. Unterlagen zu J. Rapp Tyrol 1809, TLMF-Bib., FB 1651, Periode IV, Nr. 204. – Der Eingangs-
vermerk auf der Rückseite des Schreibens, „Empfangen den 20 8ber 1809 und laut Ordre geleistet
am 21t dto. Die Schanzarbeit betreffend“, stammt aus der Hand Michael Pfurtschellers. In edierter
Form ist dieses Befehlsschreiben Hofers zu finden in Oberhofers „Weltbild eines ‚Helden‘“. (Vgl.
Oberhofer, Weltbild, 2008, S. 530.)
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435