Seite - 206 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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206 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
seine Mannschaft mit den Worten „Mein lieb Landsleute, hört endlich auf; ihr macht
euch und uns unglücklich […]“ dazu aufgefordert habe, den Widerstand aufzugeben.
Dann habe ihm der Mann „ein gedrucktes Blatt des Wiener Frieds vom 14ten 8ber“
überreicht. Zurück in den Stellungen am Bergisel habe er dann den oben genann-
ten Kommandanten Bericht erstattet und ihnen den Abdruck des Friedensschlusses
überreicht, jedoch „die unfreundlichste Aufnahme“ erfahren. Die beiden hätten so-
gar gedroht, ihn einzusperren.653 Auf diese Drohung hin will Pfurtscheller Folgendes
geantwortet haben:
„‚Das Arretieren können Sie sich ersparen; ich werde bis ans Ende aushalten, aber ich wasche
meine Hände; u. sollte noch unschuldiges Blut fließen, so haben Sie es zu verantworten!‘“654
November kommandiert er die am Bergisel stehenden Tiroler Aufgebote. 1810 geht er nach Wien,
bekommt eine kaiserliche Pension für seine Verdienste um die Landesverteidigung. (Vgl. Blaas, Jo-
sef Daney, 2005, S. 403.) Franz Thalguter (1778–1831) stammt aus Algund. Auch nach dem 1.
November betreibt er die Fortführung des Widerstandes gegen die bayerische Regierung. Er muss
flüchten, wird jedoch gefasst und eine Zeit lang in München inhaftiert. (Vgl. ebd., S. 449.) – In
seinem Bericht aus dem Jahr 1838 schreibt Pfurtscheller, 40 Freiwillige aus Fulpmes hätten einen
Streifzug in die Gegend um Hötting unternommen. Darüber, ob er selbst unter diesen Freiwilligen
war, sagt Pfurtscheller hier nichts. (Vgl. Pfurtschellers „Kurzgefaßte Beiträge zur Kriegsgeschichte“,
o. D. [1838], TLA, Landtagsakten 1839, Fasz. 75, Nr. 1105, S. 13 [vgl. Anm. 6].)
653 Auch an anderer Stelle beschreibt Pfurtscheller Aschbacher und Thalguter als „Verweigerer“ der
Friedensnachricht. Er habe schon vor dem Eintreffen des kaiserlichen Gesandten Lichtenthurn vom
Friedensschluss erfahren, „mußte [jedoch] Schweigen – die Leute waren durch die Comandanten
Aschbacher und Thalguter – ganz zur Unglaubigkeit gestimmt“. (Pfurtscheller an Rapp – Begleit-
schreiben, 20. September 1837, TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 10.) Ein ganz
anderes Bild von Anton Aschbacher entwirft dann Joseph Rapp. Er stellt diesen als besonnenen
Gegenpol zu Kriegstreiber Joachim Haspinger dar: „Von den Kommandanten am Berg Isel war es
nur der wüthende Kapuziner [Haspinger], der die bayerische Proklamation in Stücke zerriß, den
Frieden verläugnete und die Leute zum Widerstand aufhetzte. […] Aber der besonnene Aschbacher
war ganz anderen Sinnes. Er erkannte sehr wohl, daß man sich auf die Massen des Sturmvolkes […]
durchaus nicht verlassen konnte.“ (Rapp, Tirol 1809, 1852, S. 703.) Bei Martin Schennach findet
sich folgender Aufruf Aschbachers an die Gemeinden des Stubaitals vom 1. November 1809, der
an dem von Rapp gezeichneten Bild des besonnenen Anton Aschbacher zweifeln lässt: „Seyd auf,
Brüder! Sterben tun wir ohnedem einmal, und es ist besser, wir sterben als Männer, als wenn wir
wie Weiber zugrund gehen.“ (Anton Aschbacher an Gemeinden des Stubaitales, 1. November 1809,
StAM, MA 7037/1, zitiert nach: Schennach, Revolte, 2009, S. 505.)
654 Bericht 4. Bergiseltreffen, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 6. – Die
Handschrift ist nicht die des Michael Pfurtscheller. Eventuell handelt es sich um die Abschrift eines
Berichtes Pfurtschellers. Jedenfalls ist der Bericht aus der Perspektive Michael Pfurtschellers in der
„Ich-Form“ verfasst, was auf Pfurtscheller als Urheber des Textes hinweist. Eine Datierung dieses
Berichtes ist, wie bereits erwähnt, nicht möglich. Das erste definitiv an Joseph Rapp gerichtete
Schreiben Michael Pfurtschellers stammt jedenfalls vom 20. September 1837. (Vgl. Pfurtscheller
an Rapp – Begleitschreiben, 20. September 1837, TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435