Seite - 215 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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3.3. 1809 215
ob die spätere Rezeption der Ereignisse zwischen dem Tag des Friedensschlusses am
14. Oktober 1809 und dem endgültigen Ende der Volkserhebung Anfang 1810 die
Ansichten Pfurtschellers „verfärbte“ – schließlich entstanden Pfurtschellers Berichte
hierzu erst erhebliche Zeit nach 1809 – bleibt unklar. Fest steht, dass Pfurtscheller
mit zumindest dem Großteil des Stubaier Aufgebotes dieser Tage wohl in den Stel-
lungen am Bergisel blieb und den gegnerischen Angriff am 1. November 1809, der
die Tiroler zum Rückzug zwang, miterlebte. Ob diese Entscheidung – wie in einem
Bericht dargestellt – auf der Angst vor Gewalt seitens Tiroler Fanatiker beruhte oder
auf der eigenen Überzeugung, weiter Widerstand leisten zu wollen, lässt sich nicht
eindeutig beantworten.
Nach drei Stunden sei der Widerstand der Landesverteidiger jedenfalls gebrochen
worden,684 so Pfurtscheller, der an dieser Stelle noch einmal seine persönlichen Erleb-
nisse in den Mittelpunkt der Erzählung stellt:
„Schreiber dieses befahl den wenigen Weinvorrath auszuschitten! (da zum Trinken keine
Zeit war.) Er holte auch noch den Säbl u. Stok seines Lieut. Gg. Gschlieser aus den Lager-
hüthe; sodann half er auch einen feindlichen Cavallerie-Angriff an der Verhauten Poststras-
se zwischen den Ferrari u. Reselerhof, mit seinen Leute zurückweisen.“685
Noch ausführlicher schildert Pfurtscheller den Rückzug des Stubaier Aufgebotes in
dem bereits mehrfach zitierten Schreiben an Joseph Rapp vom 20. September 1837:
gezwungen – nachdem der Kurrier Baron v. Lichtenthurn am Schönberg aus Österreich mit dem
Friedensschluß ankam, noch fortzusetzen, ja inner den Brenner noch Neue Aufgebothe zu machen!“
(Pfurtscheller an Rapp, 29. Juli 1839, TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 2.)
684 Pfurtscheller kritisiert in diesem Zusammenhang die Berichterstattung der „Feinde“ in der Inns-
brucker Zeitung: „Unsere Feinde die Bayern sagten, in der Innsbrucker Zeitung vom 1ten No-
vember nach einer Canonade von einer Stunde hätten sie gebraucht den Verschanzten Iselberg mit
Sturm zu nehmen allein man leistete drei Stunden hartnäckigen Widerstand gegen eine zehenfache
Übermacht.“ (Fragment Abhandlung 27. Oktober 1809 bis 20. Februar 1810, o. D., TLMF, Hist.
Samml., Nachl. MP, I, Bund 1, S. 8.) Ganz ähnlich kritisiert Rapp die bayerische Geschichtsschrei-
bung – namentlich nennt er den hier bereits zitierten Völderndorff – diese würde absichtlich die
Leistungen der Tiroler Landesverteidiger schmälern. (Vgl. Rapp, Tirol 1809, 1852, S. 731 f.) Viktor
Schemfil geht in seinen Bemerkungen zum „vierten und letzten Treffen am Bergisel am 1. Novem-
ber“ davon aus, dass der bayerische Angriff um 9 Uhr morgens begann und die Kämpfe „um die
Mittagsstunde“ endeten. (Vgl. Schemfil, Freiheitskrieg, 2007, S. 250.)
685 Fragment Abhandlung 27. Oktober 1809 bis 20. Februar 1810, o. D., TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, I, Bund 1, S. 9. – Pfurtscheller wehrt sich mit diesen Zeilen noch einmal gegen die bayerische
Berichterstattung: „Es war keine Unordentliche Flucht wie selbe die Bayern zu schildern beliebten,
es wurden nur wenige Tyroler gefangen. […].“
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435