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3.3. 1809 219
grund der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Talgemeinden in Rage geraten,
so berichtet Pfurtscheller weiter. Falls die Talbewohner nicht ihre Stutzen ausliefer-
ten, drohte er an, von Schönberg aus in das Tal vorzurücken, um die Waffen vor Ort
zu beschlagnahmen. Pfurtscheller erinnert sich an die Worte des Offiziers:
„[Er] ‚wolle bessere Feuergewehre, bis ihr mir nicht Stutzer bringt, glaube ich eben nicht
daß ihr Ruhig seit: Ich will Stutzer haben – oder ich komme selbst hinein in euer Thal, um
selbe zu holen etc.‘“699
Um die Waffenbesitzer zur Kooperation zu animieren, hätten die Gemeindevorste-
hungen des Tales daraufhin beschlossen, diese mit 50 Prozent des Schätzpreises der
Waffen zu entschädigen, so Pfurtscheller. Dadurch sei es schließlich gelungen, auch
Stutzen einzusammeln und eine zweite700 Waffenlieferung zusammenzustellen, die
auch Dalwigk – so die korrekte Schreibweise – zufriedenstellte. Das renitente Ver-
halten der Talbewohner beziehungsweise „die starke Abneigung gegen die Baiern“
versucht Pfurtscheller dem Leser durch folgende Anekdote – wohl nicht ganz ohne
Schadenfreude – zu illustrieren:
„[…] als Realitäten-Besitzer hielt er [Pfurtscheller] mehrere Dienstbothen, darunter zwei
junge Pursche welche leidenschäftliche Liebhaber heimlicher Jagd waren, selbe haben auch
den Feldzug des Jahr 1809 eifrig mitgemacht; und während der Gefechte am Iselberg den
24 und 29 Mai K.B. Patronen packete erbeuteten, welche diese ja sorgfältig mitnahmen:
Bei erwähnter Waffenablieferung wurde auch Munizion abverlangt; allein gedachte zwei
Pursche um das Pulver zu erhalten leehrten die Patronen, füllten selbe mit schwarzer Gar-
ten Erde, und nur oben an wurde 3 lin. Pulver angebracht – die Bleikugel blieb dabei, also
wurden die Patronen fleissig zugemacht – und die Packete fest gebunden. Es wurden mit
bemeldten Innhalt 24 Pakete an mehr bemeldten Obrist Dallwig – mit viele Stutzen und
einen K.B. Offiziers Säbl nach den Schönberg ausgeliefert. Ohne weittere Ahndung.“701
699 Vgl. Fragment Abhandlung 27. Oktober 1809 bis 20. Februar 1810, TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, I, Bund 1, S. 14.
700 Aus dem hier wiedergegebenen Bericht Pfurtschellers gehen lediglich zwei Waffenlieferungen hervor.
In Anbetracht des oben bereits erwähnten, bei Mutschlechner abgedruckten Briefes Pfurtschellers an
das Landgericht Innsbruck vom 8. November 1809 ist jedoch wohl anzunehmen, dass die Stubaier
in drei Anläufen ihre Waffen dem bayerischen Militär aushändigten. (Vgl. Anm. 696.)
701 Fragment Abhandlung 27. Oktober 1809 bis 20. Februar 1810, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP,
I, Bund 1, S. 15. – Am 15. November ließ sich Pfurtscheller seine Kooperationsbereitschaft bei der
Auslieferung der Waffen durch einen bayerischen Offizier, „Fahninger“, bestätigen. (Vgl. Verzeichnis
Zeugnisse, Urkunden und Diplome, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, I, Bund 1, Nr. 32, Eintrag
zum 15. November 1809.)
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435