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230 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
und der sich abzeichnenden Abkehr des Königreiches von Napoleon war ein solcher
Aufstand von offizieller österreichischer Seite aus auch nicht länger wünschenswert.
Das im Rieder Vertrag am 8. Oktober 1813 festgeschriebene Ergebnis der Verhand-
lungen Österreichs mit Bayern war für Tirol die fortgesetzte Teilung des Landes in
einen nördlichen, weiterhin bayerisch regierten Teil und einen nunmehr vom König-
reich Italien beziehungsweise von Frankreich zurückzuerobernden Südteil. Erst nach
einem Friedensschluss mit Frankreich sollten dann die österreichisch-bayerischen Ter-
ritorialfragen geklärt werden. Diese Nachricht rief nun im November und Dezember
– vor allem südlich des Brenners – bewaffnete Unruhen hervor. Der Ungehorsam
gegen Beamte der bayerischen Obrigkeit – besonders die Landrichter wurden ange-
feindet – spitzte sich dann ab dem 8. Dezember zu und wurde am 11. Dezember von
einigen hundert Aufständischen schließlich auch nach Innsbruck getragen. Das kleine
bayerische Truppenkontingent musste sich bald in Richtung Unterinntal zurückzie-
hen.743 Obwohl der österreichische Feldmarschall Heinrich Graf von Bellegarde744,
der auf dem Weg zur Übernahme des Kommandos über die kaiserliche Südarmee in
Innsbruck Station machte, bereits am folgenden Tag – den 12. Dezember – im Namen
des Kaisers zu Ruhe und Ordnung in der Landeshauptstadt aufrief,745 beendete erst
das Eintreffen von um Hilfe ersuchten österreichischen Truppen eine Woche später
den Aufruhr endgültig.746 Die Lage blieb jedoch überaus angespannt, wie aus Berich-
ten hervorgeht, die Anfang 1814, aus dem Innkreis kommend, in München eintrafen.
Es waren vor allem Gerüchte über bayernfeindliche Umtriebe in einigen Landgerich-
ten, die bei der Obrigkeit in Innsbruck einlangten und für Beunruhigung sorgten.747
743 Vgl. F. Hirn, Bayerisch Tirol, 1913; sowie: F. Hirn, Geschichte Tirols, 1913, S. 450–455; sowie:
Mertelseder, Wege zur Rückkehr, 2009, S. 101–106.
744 Friedrich Heinrich Graf von Bellegarde (vgl. Anm. 111 u. 733.) wurde im Dezember 1813 mit dem
Kommando über die kaiserliche Südarmee in Italien betraut. (Vgl. Wurzbach, Lexikon, Bd. 1, 1856,
S. 243 f.)
745 Vgl. Aufruf Bellegardes, 12. Dezember 1813, TLMF-Bib., Zur Geschichte Tirols zur Zeit Napoleons
I., FB 3704, Nr. 222. – Eine Abbildung des Aufrufes Bellegardes findet sich hier: Mertelseder, Wege
zur Rückkehr, 2009, S. 105.
746 Vgl. F. Hirn, Bayerisch Tirol, 1913, S. 61 f. – Bernhard Mertelseder spricht im Gegensatz dazu von
zwei bayerischen Bataillonen. (Vgl. Mertelseder, Wege zur Rückkehr, 2009, S. 105.) Ferdinand Hirn
präzisiert jedoch, es habe sich um ein Grenadierbataillon unter dem Kommando des österreichischen
Generals „Quosdanovich“ gehandelt. (Vgl. F. Hirn, Bayerisch Tirol, 1913, S. 61.) Karl Paul von
Quosdanovich (1763–1817) war seit Mai 1813 Generalmajor der österreichischen Armee. (Vgl.
Wurzbach, Lexikon, Bd. 24, 1872, S. 151–153.)
747 Die Berichte des Generalkommissars des Innkreises, Maximilian Freiherr von Lerchenfeld, und sei-
nes Kanzleidirektors Heinrich Freiherr von Hettersdorf vom 6. und 11. Januar sowie der Bericht
des Letzteren vom 13. Februar 1814 an den König nach München finden sich in edierter Form
hier: Thomas Albrich/Stefano Barbacetto/Andrea Bonoldi/Wolfgang Meixner/Gerhard Siegl (Hg.),
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435