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3.4. Erbhuldigung 1838 237
zum „absolutistischen Polizeistaat“ mit festgelegter Erbfolge, zunehmender Bürokrati-
sierung und Verrechtlichung im 18. Jahrhundert auf den ersten Blick als sinnentleerter
Anachronismus.775 Matthias Schwengelbeck argumentiert hingegen, dass auch ange-
sichts absolutistisch agierender Herrscher – ein Bild, das vor dem Hintergrund der
in der Neuzeit-Historiographie seit den Neunzigern des 20. Jahrhunderts geführten
Debatte um den „Mythos des Absolutismus“ 776 ohnehin zu hinterfragen sei777 – Huldi-
gungsfeiern „mehr als bloßes Ornament der Politik“ geblieben seien.778
Gerade im 19. Jahrhundert, nachdem Erfahrungen wie die Französische Revolu-
tion, Aufklärung, die Herrschaft Napoleons oder die sich mehrenden Stimmen, die
nach einer politischen Partizipation für eine breitere Bevölkerungsschicht verlangten,
traditionelle Herrschaft in Frage gestellt hatten und stellten, sei es zu einem Wieder-
aufleben des monarchischen Zeremoniells und auch der Huldigungsfeiern gekom-
men, und zwar pompöser und aufwändiger als je zuvor, so Schwengelbeck:779
„Im zeremoniellen Auftritt, so der weitgehende Konsens neuerer Studien zur Monarchie in
der Moderne, suchte die nachrevolutionäre Monarchie Zustimmung zum monarchischen
Ordnungsmodell zu erhalten oder neu zu gewinnen.“780
775 Vgl. Schwengelbeck, Politik, 2007, S. 28 f.; sowie: Hubertus Büschel, Untertanenliebe. Der Kult
um deutsche Monarchen 1770–1830 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte
220), Göttingen 2006, S. 95–100; sowie: Holenstein, Huldigung, 1991, S. 479–503 u. 511.
776 Einen wesentlichen Anstoß, den Absolutismusbegriff zu überdenken, lieferte der britische Historiker
Nicholas Henshall mit seinem Buch „The Myth of Absolutism“. (Vgl. Nicholas Henshall, The Myth
of Absolutism. Change and Continuity in Early Modern European Monarchy, London-New York
2001 (Print-on-demand-Ausgabe des 1992 erschienen Buches).) – Die Buchbesprechung von Heinz
Duchhardt in der Historischen Zeitschrift würdigt dies: Heinz Duchhardt, Absolutismus – Abschied
von einem Epochenbegriff?, Rezension zu: Nicholas Henshall, The Myth of Absolutism. Change and
Continuity in Early Modern European Monarchy, London 1992, in: Historische Zeitschrift 258 (1994),
S. 113–122. – Von der Kritik Henshalls am Absolutismusbegriff angeregt, erschien wenig später der
folgende Band: Ronald G. Asch/Heinz Duchhardt (Hg.), Der Absolutismus – Ein Mythos? Struktur-
wandel monarchischer Herrschaft in West- und Mitteleuropa (1550–1700), Köln–Wien 1996.) Die
Diskussionen um den Begriff „Absolutismus“, seien, so Lothar Schilling im Vorwort zu dem von ihm
2008 herausgegebenen Tagungsband „Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept?“, „alles an-
dere als abgeschlossen“. (Vgl. Lothar Schilling (Hg.), Absolutismus, ein unersetzbares Forschungskon-
zept? Eine deutsch-französische Bilanz, München 2008, S. 9.) Ein Blick auf jüngste Publikationen zeigt,
dass sich mit dem Begriff des Absolutismus wohl meist – zurecht – reflektierter umgegangen wird als
vor Einsetzen der eben angedeuteten Diskussion, dieser jedoch durchaus nach wie vor als Epochenlabel
gebräuchlich und auch brauchbar ist. Die von Duchhardt bereits in seiner Rezension des Buches von
Henshall angeregte Verwendung von „Zeitalter des Barock“ statt „Absolutismus“ konnte sich jedenfalls
bislang keineswegs flächendeckend durchsetzen. (Vgl. Duchhardt, Absolutismus, 1994, S. 120 f.)
777 Vgl. Schwengelbeck, Politik, 2007, S. 35.
778 Vgl. ebd., S. 17.
779 Vgl. ebd., S. 152.
780 Ebd.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435