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240 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Erbhuldigungen im 19. Jahrhundert zu interpretieren ist – und eine eingehendere
Untersuchung wäre hier sicherlich lohnenswert –, anhand der zu Michael Pfurtschel-
ler überlieferten Quellen ist nicht darauf zu schließen, wie dieser dem neuen Kaiser
und dessen Ritualen der Herrschaftslegitimation gegenüber eingestellt war. Dass die-
ses Ereignis für Pfurtscheller von großer Wichtigkeit war, ist jedoch mit Blick auf den
beträchtlichen Umfang an diesbezüglichem Material in seinem schriftlichen Nachlass
anzunehmen:792 Aus dem am 4. August 1838 bekanntgemachten Programm dieses
kaiserlichen Innsbruckbesuchs geht deutlich hervor, welch wichtige Rolle Schützen-
kompanien im Rahmen der Inszenierung der mehrtägigen Feierlichkeiten einnahmen.
Mehrfach paradierten sie vor den Würdenträgern des Landes und der Monarchie.793
Mitten unter ihnen marschierte auch eine Abteilung Stubaier Schützen, angeführt
vom eben erst zum Bataillonskommandanten ernannten Michael Pfurtscheller.794 Er
nutzte, wie sich im Folgenden zeigen wird, das kaiserliche Repräsentationsspektakel
dazu, sich vor der anlässlich der Feierlichkeiten versammelten großen Öffentlichkeit,
die in der ausführlichen medialen Berichterstattung noch zusätzlich an räumlicher
und zeitlicher Reichweite gewann795, selbst zu präsentieren und zu profilieren.
Den im Nachlass Pfurtschellers erhaltenen Quellen zufolge, begannen die Vorbe-
reitungen der Feierlichkeiten für ihn als Hauptmann der Schützen von Fulpmes im
Juni 1838. Bereits am 1. Juni dieses Jahres wurde er als „Oberschützenmeister und
Hauptmann“ von Landrichter von Guggenberg796 zu einer auf den folgenden Tag
792 Vgl. TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, II, Bund 2; sowie: Verzeichnis Zeugnisse, Urkunden und
Diplome, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, I, Bund 1, Nr. 72, Eintrag zum 12. August 1838.
793 O. A., Aktenstücke der tirolischen Erbhuldigung, 1839, S. 3–10.
794 Vgl. TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, II, Bund 2; sowie: Verzeichnis Zeugnisse, Urkunden und
Diplome, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, I, Bund 1, Nr. 72, Eintrag zum 12. August 1838. – All-
gemein berichtet Beda Weber in seinem „Denkbuch der Erbhuldigung in Tirol 1838“ von den Fei-
erlichkeiten. Er erwähnt auch Michael Pfurtscheller und die unter dessen Kommando ausgerückten
Stubaier Schützen mehrfach. (Vgl. [Weber], Denkbuch 1838, 1839, S. 72 f., außerdem: Beilage 3.)
795 Die Berichte des Tiroler „Boten“ wurden von anderen Zeitungen – wie etwa der „Wiener Zeitung“
– übernommen. (Vgl. Kaiserlich Königlich privilegirter Bothe von und für Tirol und Vorarlberg, Nr.
65–68, 13.–23. August 1838, S. 257–270; sowie: Österreichische Kaiserliche privilegirte Wiener Zei-
tung, Nr. 188–194, 17.–24. August 1838, S. 1153, 1165 f, 1171 f u. 1185.) – Neben der Berichter-
stattung in diversen Zeitungen ist hier besonders auch an das 1839 erschienene „Denkbuch“ zu den
Erbhuldigungsfeierlichkeiten in Innsbruck von Beda Weber zu denken. (Vgl. [Weber], Denkbuch
1838, 1839.)
796 Alois von Guggenberg (1782–1865) war am 12. August 1826 zum Landrichter des Landgerichtes
Mieders ernannt worden. Zuvor war er als Patrimonialrichter in Telfs tätig gewesen. (Vgl. Der Kai-
serlich Königlich privilegirte Bothe von und für Tirol und Vorarlberg, Nr. 71, 4. September 1826, S.
281; sowie: Paul von Guggenberg, Die Guggenberg von Riedhofen (seit 1299). 700 Jahre Hof- und
Familiengeschichte, Bozen 2003, S. 86 f.; sowie: Blaas, Josef Daney, 2005, S. 417.) Das Landgericht
Mieders wurde mit 19. Oktober 1826 wieder neu eingerichtet, nachdem das Stubaital durch das kai-
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435