Seite - 252 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 252 -
Text der Seite - 252 -
252 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
gekommen.833 Eine ganze Reihe von Faktoren sorgte eben auch in der Habsburger-
monarchie bei vielen für Unzufriedenheit: etwa seit den 1830ern andauernder po-
litischer Stillstand, gepaart mit einer auch angesichts einer wachsenden Opposition
auf die Erhaltung des Status quo fokussierten Repressionspolitik – die Strenge der
Zensur wird hierbei immer wieder als Beispiel bemüht – sowie wirtschaftliche Kri-
sen und Missernten Mitte der 1840er-Jahre.834 Staatskanzler Metternich galt – nicht
nur im österreichischen Kaiserstaat – als Symbol dieser politischen Verkrustung im
Vormärz.835
Zusätzliche Sprengkraft hatten all diese Faktoren vor dem Hintergrund sich ver-
schärfender Nationalitätenkonflikte im Vielvölkerstaat der Habsburger. Die Rufe
nach stärkeren Autonomierechten oder gar einer Ablösung vom Kaiserstaat wurden
immer häufiger und lauter. Just diese Forderungen trugen jedoch auch wesentlich
zur Unbeweglichkeit der Regierung hinsichtlich nationaler, liberaler oder demokra-
tischer Reformbestrebungen bei. Man wehrte sich nicht nur gegen den zu erwarten-
den Machtverlust durch die Gewährung von mehr Mitspracherechten, man fürchtete
um den Fortbestand der staatlichen Einheit des Nationalitätenkonglomerats.836 „Der
absolutistische, zentralistische und zentralisierende Reformstaat wandelte sich unter
diesen Bedingungen immer mehr zu einer hemmenden Zwangsanstalt und Kont-
rollinstanz, welche dem […] Gärungspotenzial mit den Mitteln staatlicher Gewalt
zu begegnen suchte.“837 Vor dem Hintergrund dieser Politik der Bewahrung und der
restriktiven Unterbindung vermeintlich beziehungsweise tatsächlich revolutionärer
Tendenzen, blieben jedoch auch soziale und wirtschaftliche Reformen auf der Stre-
833 Vgl. Brigitte Mazohl-Wallnig, Die Revolution 1848 aus europäischer Sicht, in: Liechtenstein und die
Revolution 1848. Umfeld – Ursachen – Ereignisse – Folgen, hg. v. Arthur Brunhart, Zürich 2000, S.
19–36, hier: S. 21; sowie: Mike Rapport, 1848. Revolution in Europa, aus dem Englischen übersetzt
von Andrea Hahn, Stuttgart 2011, S. 28–30. – Einen Eindruck von der repressiven Politik der Groß-
mächte Österreich, Russland und Preußen vermittelt Mike Rapport in einer kurzen, übersichtlichen
Art und Weise. (Ebd., S. 15–27.)
834 Vgl. Rumpler, Eine Chance, 2005, S. 261–263; sowie: Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S.
15 f.
835 Vgl. Rapport, 1848, 2011, S. 15. – Eine eingehende Diskussion der Rezeptionsgeschichte der Met-
ternich’schen Politik muss im Rahmen der vorliegenden Arbeit unterbleiben. Besonders Wolfram
Siemann und Alan Sked sind in ihren Publikationen um ein differenziertes Metternich-Bild bemüht:
Wolfram Siemann, Metternich. Staatsmann zwischen Revolution und Moderne, München 2010;
sowie: Alan Sked, Metternich and Austria. An Evaluation, Basingstoke 2008.
836 Vgl. Rapport, 1848, 2011, S. 15–21; sowie: Jiři Kořalka, Revolutionen in der Habsburgermon-
archie, in: Europa 1848. Revolution und Reform (Politik und Gesellschaftsgeschichte 48), hg. v.
Dieter Dowe, Heinz-Gerhard Haupt u. Dieter Langewiesche, Bonn 1998, S. 197–230, hier: S.
197–200.
837 Mazohl-Wallnig, 1848 aus europäischer Sicht, 2000, S. 28.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435