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3.5. 1848 253
cke, was wiederum zumindest potenziell den schon bestehenden Unmut nur noch
fördern konnte.838 So prophezeite der britische Außenminister Lord Palmerston839
dem „System Metternich“ am Vorabend der Revolution, „ihre repressive und ersti-
ckende Politik ist letztlich fatal und wird ebenso sicher zur Explosion führen wie ein
zugesperrtes Druckventil bei einem hermetisch verschlossenen Dampfkessel“.840
Der Funke, der dieses explosive Gemisch nun zündete, kam aus Paris, wo am 22.
Februar 1848 ein Aufstand losbrach, der bereits zwei Tage später die Herrschaft von
König Louis-Philippe beendete.841 Ausgehend von hier griff die Revolution rasch auf
andere europäische Staaten über – wohl aufgrund neuer Kommunikationserleichte-
rungen wie einem verbesserten Postsystem, Telegrafie, Eisenbahn oder dem Ende der
Brief- und Pressezensur auf der einen Seite,842 andererseits jedoch auch, „weil viele
Menschen seit dem Herbst 1847 einen revolutionären Ausbruch bereits erwarteten“.843
Auch wenn Jürgen Osterhammel in seiner Geschichte des 19. Jahrhunderts, „Die
Verwandlung der Welt“, im Zusammenhang mit den Revolutionen in Europa von
mehreren verschiedenen „simultanen Teilrevolutionen“ spricht, in die die unter-
schiedlichsten sozialen Gruppen eingebunden waren, und die sich sowohl in der
Stadt als auch auf dem Land verbreiteten,844 so ist im Folgenden hinsichtlich der
Entwicklungen in Tirol im Revolutionsjahr 1848 doch vorerst der Blick nach Wien
zu richten. Dort überschlugen sich Anfang März fast die Ereignisse. Zu ersten grö-
ßeren Protesten kam es nach der Veröffentlichung offensichtlich geschönter Angaben
838 Vgl. Kořalka, Revolutionen in der Habsburgermonarchie, 1998, S. 197 f.
839 Henry John Temple, third Viscount Palmerston (1784–1865), schlug schon früh eine politische
Karriere ein. Vorläufiger Höhepunkt dieser waren seine Amtszeiten als britischer Außenminister vom
22. November 1830 – mit einer fünfmonatigen Unterbrechung zwischen November 1834 und April
1835 – bis zum 2. September 1841, und schließlich auch vom 6. Juli 1846 bis zum 19. Dezember
1851. Von 1855 bis 1858 und von 1859 bis 1865 war er später britischer Premierminister. (Vgl.
Stanley Lane-Poole, Henry John Temple, in: Dictionary of National Biography, Vol. 19, ed. by Sid-
ney Lee, London 1909, pp. 496–513.)
840 Zit. nach: Alan Sked, Der Fall des Hauses Habsburg. Der unzeitige Tod des Kaiserreichs, aus dem
Englischen übersetzt von Stephen Tree, Berlin 1993, S. 53 f. – Das Zitat stammt aus einem Bericht
des österreichischen Botschafters in London an Metternich über ein Treffen mit dem britischen
Außenminister, verfasst am 13. März 1848. Die französische Originalversion findet sich abgedruckt
in: Erzsébet Andics, Metternich und die Frage Ungarns, aus dem Ungarischen übersetzt von Ferenc
Kepecs, Budapest 1973, S. 274.
841 Vgl. Rüdiger Hachtmann, Die europäischen Hauptstädte in der Revolution von 1848, in: Eu-
ropa 1848. Revolution und Reform (Politik und Gesellschaftsgeschichte 48), hg. v. Dieter Dowe,
Heinz-Gerhard Haupt u. Dieter Langewiesche, Bonn 1998, S. 455–491, hier: S. 455 f.
842 Vgl. z. B. Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 47.
843 Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München
42009, S. 778.
844 Vgl. ebd., S. 778 f.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435