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3.5. 1848 261
Landrichter von Guggenbergs Darstellung der Stimmung in seinem Landgericht trifft
tatsächlich zu – nicht ersichtlich, ob der „günstige Eindruck“, den die Verfassungs-
urkunde auf die Stubaier machte, tatsächlich rein aus den Regelungen der Pillers-
dorf’schen Verfassung vom 25. April erwuchs oder ob die am 16. Mai grundgelegten
Änderungen derselben bereits in die Einstellung der Gerichtsinsassen eingeflossen
waren.875 Diese Frage ist deshalb so zentral, weil sich ausgehend von der Frage der
Wahlordnung zum konstituierenden Reichstag876 eine der wesentlichsten Bruchli-
nien innerhalb der Revolution des Jahres 1848 in Österreich auftat – darauf wird im
Folgenden noch Bezug genommen.877 Als kleinsten gemeinsamen Nenner regen die
Worte von Guggenbergs allerdings doch die folgende Schlussfolgerung an: Offenbar
wurde die Errungenschaft einer Verfassung – mit Neuerungen wie einem Parlament
als Volksvertretung,878 einem zumindest für einen großen Teil der männlichen Be-
völkerung geltenden Wahlrecht sowie einer 15 Paragraphen umfassenden Erklärung
von „staatsbürgerliche[n] und politische[n] Rechte[n]“,879 wie dem auf Glaubens-,
Gewissens- und persönliche Freiheit, Rede- und Pressefreiheit, Bildung von Vereinen,
Grundbesitz, Auswanderung, Gleichheit vor dem Gesetz, ein öffentliches Gerichtsver-
stehen. Zensuswahlrecht kam deshalb keines zur Anwendung. (Die kaiserliche Proklamation vom
16. Mai 1848 ist hier ediert: PGS Nr. 65/1848 (Proklamation vom 16. Mai 1848), S. 188 f.) Die
abgeänderte Wahlordnung wurde Anfang Juni bekanntgemacht. (PGS Nr. 75/1848 (Verordnung
vom 30. Mai 1848), S. 226–238.) – Ediert und kommentiert finden sich die eben genannten Quel-
len auch bei: Reiter, Verfassungsdokumente, 2005, S. 27–40. – Allgemeines zur österreichischen
Verfassungsentwicklung des Jahres 1848 – zur Pillersdorf’schen Verfassung – findet sich in: Wilhelm
Brauneder, Die Verfassungsentwicklung in Österreich 1848 bis 1918, in: Verfassungsrecht, Verfas-
sungswirklichkeit, Zentrale Repräsentativkörperschaften (Die Habsburgermonarchie 1848–1918 7,
1. Teilband), hg. v. Helmut Rumpler und Peter Urbanitsch, Wien 2000, S. 69–237, hier: S. 84–94;
sowie mit einem Schwerpunkt auf der Entwicklung des Wahlrechts: Stockinger, Dörfer und Depu-
tierte, 2012, S. 380–392.
875 Die Informationsbasis dafür wäre wohl gegeben gewesen. Michael Pfurtschellers Sohn Johann
spricht bereits am 21. Mai von den Wahlrechtsänderungen, die Kaiser Ferdinand am 16. angekün-
digt hatte. (Vgl. Johann Pfurtscheller an Franz Pfurtscheller, 21. Mai 1848, TLMF, Hist. Samml.,
Nachl. MP, IV, Bund 1, Nr. 84.)
876 Vgl. Anm. 874.
877 Vgl. Anm. 886.
878 Die Pillersdorf’sche Verfassung vom 25. April 1848 sah – wie bereits angedeutet – ein Zweikammer-
parlament vor – eine Bestimmung, die maßgeblich für den neuerlichen revolutionären Aufruhr in
Wien am 15. Mai war. Im Versuch, die Lage in der Hauptstadt zu beruhigen, legte eine kaiserliche
Proklamation am 16. Mai den konstituierenden Reichstag als Einkammerparlament fest. (Vgl. Anm.
874.)
879 Vgl. dazu die Paragraphen 17 bis 31 der „Pillersdorf’schen Verfassung“ vom 25. April 1848. (PGS
Nr. 49/1848 (Patent vom 25. April 1848), S. 150–152; sowie: Reiter, Verfassungsdokumente, 2005,
S. 28 f.)
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435