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266 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Grenzschutz im Frühjahr899 nun auch noch einen Beitrag zum kaiserlichen Militär
leisten sollten:
„Die lezten Ereigniße in Wien haben eine Entrüstung des Volkes hervorgebracht. Diese
wird leider noch dazu von Einzelnen und Vereinen aufgereitzet.
Man sucht das Volk mit Gewalt an sich zu reissen, und will es durchaus nicht bei seiner
ruhigen Besinnung belaßen.
Die wenigsten der Wünsche desselben sind erfüllet. Die verhaßte Verzehrungssteuer, das
verhaßte Stempelpatent – bestehet noch. Eine Reduction der Capitulationszeit ist nicht
erfolget etc.
Die in Stubai leichte Begreiflichmachung, und Überzeugung verschwindet allmählich, an
ihre Stelle tritt Mißtrauen, falsche, aber hartnäckige Vormeinung und constitutioneller Pro-
test, und es kann morgen der Falle eintretten, daß die Loosung an den Formalien scheitert;
‚Wir wollen nicht die ersten das Loos ziehen lassen. Wir werden nicht zugleich Schützen
und auch Soldaten stellen. Wir werden das Contingent stellen, wenn es alle Kreise thun.‘
Dieses malum omen bestehet. Das Landgericht weiß nicht, wer es geschaffen hat. Dieses
vor der Hand in gehorsamer Erledigung […]“900
Auf Grundlage dieser dünnen Quellenbasis muss der Versuch, die Stubaier Reaktio-
nen auf die revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 zu rekonstruieren, eine Skizze
bleiben. Diese zeigt eine durchaus im Vorfeld der Revolution gegebene Unzufrieden-
heit und einen Ruf nach Veränderung, die vor allem auf als drückend empfundene
finanzielle Belastungen ausgerichtet waren. Konstitutionelle Fragen, die im städti-
schen Bereich im Zentrum der revolutionären Ereignisse standen, wurden wohl auch
im Stubaital thematisiert und diskutiert, blieben jedoch im Schatten von Salzpreis,
Stempelgebühren oder Verzehrungssteuer. Noch einmal sei in diesem Zusammen-
hang an das Urteil von Hans Heiss und Thomas Götz erinnert, das auch auf das
Stubaital zuzutreffen scheint: „Der genuin bürgerliche Ruf nach ‚Konstitution und
Pressefreiheit‘ galt den Bauern zumeist nur als ein ihrer Lebenswelt fremdes Schlag-
wort.“901
Die Unzulässigkeit der Annahme, bei „den Stubaiern“ habe es sich um eine homo-
gene Gruppe gehandelt, wurde bereits mehrfach betont. Im Hinblick darauf sind die
folgenden – natürlich überaus einseitigen – Aussagen des bereits zitierten Sohnes Mi-
899 Vgl. Kap. 3.5.2.
900 Abschrift LG Mieders an KA Schwaz, 26. Oktober 1848, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 56,
1848, Abt. XVI.
901 Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 67.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435