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274 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
„Ihre Anzeige über die Bildung und Organisierung einer starken Schützenkompagnie im
dortigen Landgerichtsbezirke, welche auch bereits unter dem Kommando Ihres Sohnes ab-
marschiert und den Feinden des Vaterlandes mit den besten Wünschen aller Freunde dessel-
ben begleitet entgegengerückt ist, hat die Landesschutzdeputation sehr befriedigt.
Da dieses erwünschte Resultat größtentheils durch Ihre patriotischen Anstrengungen und
Bemühungen erzielt wurde, so drückt Ihnen hiemit die Landesschutzdeputation ihren war-
men Dank im Namen des Vaterlandes mit dem Ersuchen aus, Ihre erfolgreichen Dienste
der guten Sache auch ferners mit dem gewohnten und erprobten Eifer widmen zu wollen.
Bezüglich der Bildung einer Kompagnie in Steinach wird die nähere Weisung nachfolgen.
Innsbruck am 28. April 1848.“932
Pfurtscheller war also, nun 71-jährig, noch einmal als „Landesverteidiger“ militärisch
aktiv geworden. Die „Feinde des Vaterlandes“, gegen die die Südgrenze Tirols geschützt
werden sollte, waren in diesem Fall aus ganz Italien zusammengekommene Freischa-
ren, ergänzt durch Deserteure aus italienischen Regimentern des kaiserlichen Heeres.933
Hintergrund ihrer Vorstöße waren die erwähnten revolutionären Aufstände in Mailand
und Venedig, die auf die Loslösung vom österreichischen Kaiserreich und die Errich-
tung eines italienischen Nationalstaats abzielten – eine Idee, die, wie bereits angedeutet,
auch in den liberalen Kreisen des italienischsprachigen Teils Tirols zahlreiche Anhänger
hatte. Nach kurzen, heftigen Kämpfen in Mailand hatten sich die dort zur Bekämp-
fung des Aufstandes eingesetzten kaiserlichen Truppen wie gesagt in das Festungsviereck
Mantua-Peschiera del Garda-Verona-Legnago zurückziehen müssen. Mit dem Vorrü-
cken von Truppen des Königreichs Sardinien-Piemont in die Lombardei drohte der
Kaiserstaat schließlich endgültig die Kontrolle in Oberitalien zu verlieren. Um den süd-
lich des Gardasees stehenden kaiserlich-österreichischen Truppen den Stand zusätzlich
zu erschweren, nahmen nun eben auch noch einige tausend Freiwillige die Südgrenzen
Tirols ins Visier.934
Zur Organisierung der Landesverteidigung gegen solche Vorstöße im Süden des
Landes war bereits am 27. März vonseiten des Landesguberniums eine Landesschutz-
deputation in Innsbruck sowie zwei weitere Schutzdeputationen, eine in Bozen und
eine in Vorarlberg, eingerichtet worden. Ihre vorrangige Aufgabe war die Organisie-
rung – das heißt in erster Linie Anwerbung – von freiwilligen Schützenkompanien
932 Landesschutzdeputation an Michael Pfurtscheller, 28. April 1848, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP,
IV, Bund 2, Nr. 1.
933 A. [Anton – vgl. Tiroler Schützen-Zeitung, Nr. 41, 12. Oktober 1848, S. 330.] Pacher, Die Landes-
vertheidigung und das Schützenwesen in Tirol im Jahre 1848, in: Tiroler Schützen-Zeitung, Nr. 8,
22. Februar 1849, S. 58–60; sowie: Nr. 9, 1. März 1849, S. 65–68; sowie: Nr. 10, 8. März 1849, S.
74–76; hier: S. 67.
934 Vgl. Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 47–72.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435