Seite - 289 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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4.1. Michael Pfurtscheller als Gemeindevorsteher 289
heit ermittelbar, welchen Einfluss die durch den Landrichter vertretene Obrigkeit
auf diese Wahl nahm – schließlich kam den Gemeinden gemäß der eben erst von der
bayerischen Regierung erlassenen „Instruktion der Gemeindevorsteher“ lediglich ein
Vorschlagsrecht zu4 –, der Zeitpunkt der Entscheidung für Pfurtscheller regt jedoch
ungeachtet dessen eine weiterführende Überlegung an: Die Jahre seit der Jahrhun-
dertwende waren für den Ort, in dem sich so viele auf die Herstellung von und
den Handel mit Kleineisenwaren spezialisiert hatten, Krisenjahre gewesen.5 Noch
zusätzlich verschlimmert hatte sich die Situation durch die Katastrophe vom 31.
August 1807, als – wie bereits erwähnt – der Schlickerbach über die Ufer getreten
war und einen großen Teil der Produktionsstätten des Ortes verheert hatte.6 Es war
diese Krisenzeit, in der Landgerichtsassessor Johann von Anreiter bemerkte, dass,
„Wären nicht die beyden Verleger in Stubay Kapferer zu Telfes, und Michael Pfurt-
scheller in Vulpmes, welche vielen Schmieden das Eisen a conto, ihnen auf eigene
Kosten Waaren und Muster bringen lassen, […] das Ellend [würde] noch viel größer
als es dermahl ist seyn“7, und in der Michael Pfurtscheller zum Gemeindevorsteher
gewählt wurde.8 Zuvor schon war Pfurtscheller von der landgerichtlichen Obrigkeit
als „Kassier“ eingesetzt worden, der vor Ort für die Verteilung und Verwaltung der
Hilfsgelder an die betroffenen Stubaier verantwortlich sein sollte.9 Darüber, inwie-
weit Pfurtschellers bereits zu diesem Zeitpunkt herausragende finanzielle und wirt-
schaftliche Stellung im Dorf für seine Ernennung zum „Kassier“ oder seine Wahl zum
Gemeindevorsteher ausschlaggebend war, sind auf der Grundlage der vorhandenen
Quellen allerdings nur Mutmaßungen möglich.
Pfurtscheller blieb jedenfalls auch noch über die bayerische Regierungszeit hinaus
bis 1818 Gemeindevorsteher. Im Verzeichnis seiner Zeugnisse und Urkunden ist für
das Jahr 1819 ein im Original nicht überliefertes Zeugnis des Landgerichts Matrei
angeführt, durch das Pfurtscheller offiziell der Austritt aus dem Amt des Gemeinde-
vorstehers „mit einer Guthabung von 246 fl 55 kr“ bestätigt wird.10
gierung sowie zum wahrscheinlichen Ablauf der Bestellung Michael Pfurtschellers zum Gemeinde-
vorsteher erfolgte bereits in Kap. 3.3.3.1.
4 Vgl. ebd.
5 Vgl. Kap. 3.3.3.3. u. 6.3.3.
6 Vgl. Kap. 3.3.3.1.
7 Johann von Anreiter beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil E, Nr.
6.
8 Auf die Rolle Michael Pfurtschellers während der Krisenjahre wird noch gesondert eingegangen
werden. (Vgl. Kap. 6.3.4.2.)
9 Vgl. Kap. 3.3.3.1.
10 Vgl. Verzeichnis Zeugnisse, Urkunden und Diplome, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, I, Bund 1,
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435